Anmelden
RSS Feed

Begriffe, Aussagen & Analysen aus unterschiedlichen Aufsätzen, Schriften von Verschiedenen Verfassern zur GERICHTSHILFE

Begriffe, Aussagen & Analysen aus unterschiedlichen Aufsätzen, Schriften von Verschiedenen Verfassern zur GERICHTSHILFE

Reformen müssen am Anfang eines Strafverfahrens angesiedelt werden, wo prozessuale Lösungen mit Hilfe der Sozialarbeit erreichbar sind.

Wer Konzepte der Straffälligenhilfe ohne Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen und –abläufe der Staatsanwälte und Richter erarbeitet, wird kaum eine institutionelle Verankerung erreichen.

Prof.Dr. Hans-Jürgen Kerner

Reformen verwirklichen sich nicht von heute auf morgen. Auch die Anfänge der Gerichtshilfe reichen weit zurück.

Prof. Dr. Kurt Rebmann, Ministerialdirektor im JM BW, später Generalbundesanwalt

Um die Wende zum 20.Jahrhundert vollzog sich in der Strafrechtswissenschaft ein Wandel. Die von Franz v. Liszt geführte moderne Strafrechtsschule erkannte in dem Verbrechen und der Strafe eine Erscheinung der sozialen Wirklichkeit. Aufbauend auf dem Lisztschen Gedankengut vom Zweckcharakter der Strafe, stand nunmehr bei der  Bestrafung des Rechtsbrechers nicht mehr allein die Tat als normverletzender Vorgang im Mittelpunkt, vielmehr galt es, die Tat eines bestimmten, durch seine persönliche und soziale Eigenart geprägten Täters zu beurteilen.

Grundlegender Beitrag von v. Liszt, Der Zweckgedanke im Strafrecht (1882)

Der Gesetzgeber nahm sich des neuen Gedankengutes an den Gerichten bei ihren strafenden Sanktionsfestsetzungen sowohl bei der Wahl der Straftat als auch bei der Bemessung der Strafhöhe weit mehr als früher sich an den Strafzwecken der Sicherung und Besserung zu orientieren. Die in der Erwachsenenstrafrechtspflege tätigen Praktiker forderten eine verstärkte Beschäftigung mit den persönlichen und sozialen Verhältnissen des Rechtsbrechers. Zur Feststellung der Besserungsfähigkeit bediente man sich zuerst 1925 mit Billigung der Justizverwaltung in Bielefeld (Amtsrichter Bozi) der Fürsorger (Sozialarbeiter), die sowohl die persönlichen und familiären Verhältnisse des Straftäters als auch die sozialen Hintergründe der Straffälligkeit erforschen sollten.
Da sich dieser in Bielefeld eingeschlagene Weg , den man als „die Keimzelle der Gerichtshilfe“ bezeichnen kann, bewährte, wurde er „zu einem allgemeinen System der Verbrechensbekämpfung“ erweitert.

Bozi, DZW 1925, S.7; Klenk Diss.(1955), S.6 ff

Neben dem Bielefelder Amtsrichter gehörte insbesondere der leitende Staatsanwalt Noetzel zu den Förderern beim Aufbau der Gerichtshilfeeinrichtungen. Die Zahl der Bestehenden Gerichtshilfen wuchs ständig. Insbesondere nachdem es in einigen deutschen Ländern im Verfügungswege den Staatsanwaltschaften zur Pflicht gemacht wurde, bereits im Vorverfahren die für die Rechtsfolgenentscheidung bedeutsamen persönlichen Verhältnisse  des Beschuldigten aufzuklären, erfuhr der Aufbau von Gerichtshilfestellen eine weitere Förderung.

Vgl. die AV des Preußischen Justizministers (Preuß. JMBl.,S. 88)

Unter Führung bedeutender Stimmen der Richterschaft entstanden ab Mitte der zwanziger Jahre zunehmend amtliche Gerichtshilfestellen, die organisatorisch in die Justizbehörden eingegliedert wurden.

Vgl. die Entschließung des Deutschen Richterbundes vom 23.4.1927, in DRiZ 1927, 261

Nach 1945 begann die Wiederbelebung des Gerichtshilfgedanken langsam, zuerst in Hamburg, Bremen und Berlin. Im Sommer 1945 nahm man  unter der Bezeichnung „Ermittlungshilfe der Strafrechtspflege“ die fachliche Arbeit wieder auf. Sie wurde dem Generalstaatsanwalt als Leiter der Strafverfolgungsbehörde unterstellt.

Siehe Kruse, BewHi q1956/57 , 90 ff

Ausgangspunkt für eine breiter einsetzende Diskussion zur Wiedereinführung der Gerichtshilfe in allen Bundesländern bildeten zwei (2)  1953 anfallende gesetzgeberische Initiativen. Durch das Dritte Strafrechtsänderungsgesetz 1953 wurde der Einfluß der Täterpersönlichkeit auf die richterliche Rechtsfolgenentscheidung in bisher dahin noch nicht bekannter Weise gesetzlich hervorgehoben. Vom Richter wurde bei Prüfung ihrer Anordnungsvoraussetzungen ausdrücklich eine prognostische Täterpersönlichkeitsbewertung gefordert.

BGBl.I, S.735

Weiterhin wurde der Staatsanwalt durch die Neufassung des §160 Abs.3 StPO angehalten, schon im Ermittlungsverfahren für die Aufklärung solcher Umstände Sorge zu tragen, die für die Strafbemessung, die Strafaussetzung zur Bewährung und die Anordnung von Maßregeln der Sicherung und Besserung von Bedeutung sein könnten.

Aus diesen Hinweisen lassen sich mehrere grundsätzliche Festlegungen darstellen.

Die theoretische und praktische Basis für die Entstehung und Entwicklung geschah durch Strafrechtslehrer und Juristen der Strafgerichtsbarkeit.

Anders die Entstehung und Entwicklung der Bewährungshilfe. diese Entstand aus dem ehrenamtlichen Engagement von Bürgern die betreuend und begleitend Hilfen für Rechtsbrecher entwickelten um diese nach einer Verurteilung aufzurichten und zu stabilisieren, mit dem Ziel neuerliche Straftaten zu vermeiden , in der Gesellschaft einen festen Platz zu finden.

In beide Arbeitsfelder sind Sozialarbeiter mit unterschiedlichen Aufgaben, Arbeitsweisen und Zielsetzungen tätig. Während die Zielgruppe der Gerichtshilfe vorrangig die Strafjuristen sind, denen eine fachliche Expertise als Zuarbeit erstellt werden soll, ist der unterstellte Verurteilte (Proband)einer Straftat das Objekt/Subjekt der Bewährungshilfe. Weiterhin ist der zeitliche  Kontakt der Gerichtshilfe zu dem Beschuldigten/Angeklagten deutlich eingegrenzt wogegen in der Bewährungshilfe über einen längeren Zeitabschnitt (Bewährungszeit) eine betreuende/begleitende Zusammenarbeit vorgesehen ist. Es somit eine durch ein Urteil+ Beschluss angeordnete mit Auflagen ( festgelegte Treffen u.a. ) versehene Koppelung die nicht einseitig aufgehoben werden darf.

Deutlich anders die Kontaktaufnahme und die Zusammenarbeit mit dem Beschuldigten/Angeklagten in der Gerichtshilfe. Nach der Auftragserteilung durch den Auftraggeber nimmt die Gerichtshilfe Kontakt mit der entsprechenden Person auf. Neben dem Auftragsinhalt, dem Auftragsgeber ist auf die Freiwilligkeit in der Zusammenarbeit verständlich hinzuweisen.

Wenden wir uns den belegbaren Beschreibungen und Analysen von Strafjuristen aus verschiedenen Bundesländern zu die in unterschiedlichen

Zeiten nachvollziehbare Aussagen bzw. Bestandsdarstellungen vornahmen, veröffentlichten und ihren Justizministerien mit Hinweisen der Erreichbarkeit/ Einlösbarkeit von den festgelegten Gerichtshilfeaufgaben vorlegten.

In Nordrhein – Westfalen leitete der Generalstaatsanwalt in Hamm am 24.7.1987 dem Justizminister unter der Überschrift „Verstärkter Einsatz der

Gerichtshilfe bei Erwachsenen in Strafverfahren seinen Bericht zu.

Er beschreibt darin Modellversuche bei den Staatsanwaltschaften Münster und Hagen um den verstärkten Einsatz der Gerichtshilfe vor Anklageerhebung zu erreichen. In dem umfangreichen Bericht werden u.a. die Hausverfügungen der Lt. Oberstaatsanwälte dargestellt.

In Münster regelte die Anordnung dass die Gerichtshilfe in allen Jugendschutzsachen gegen Erwachsene und in allen Verfahren, in denen die öffentliche Klage vor dem Landgericht erhoben wird, in der Weise einzuschalten ist, dass in der Abschlussverfügung die Übersendung eines Abdrucks der Anklageschrift an die Gerichtshilfe mit der Bitte um Bericht verfügt ist.

Sollte die Beiziehung der Gerichtshilfe unterbleiben sind in einer Begleitverfügung die Gründe darzulegen.

Die Hausverfügung in Hagen ordnete an, dass die Gerichtshilfe grundsätzlich in jedem Fall vor Erhebung einer Anklage in Kapitalstrafsachen, bei schweren Sexualdelikten einzusetzen ist.

Sollte in diesen Fällen ausnahmsweise vom Einsatz eines Gerichtshelfers vor Erhebung der Anklage abgesehen werden, so sind die Handakten vor Zeichnung der Anklageschrift mit kurzer Begründung dem Abteilungsleiter vorzulegen.

Ergebnis: in Münster Verdoppelung der Auftragszahlen gegenüber dem Vorjahr(vor der Hausverfügung).

Der Behördenleiter berichtet von einer nicht unproblematischen Entwicklung durch die Vorgabe der Hausverfügung, da hierdurch die Gerichtshilfe erst mit der Anklageerhebung  beauftragt wird, sodass das Ergebnis der Gerichtshilfearbeit nicht mehr in die Anklage einfließen kann.

Hagen beschreibt eine beachtliche Steigerung (Versechsfachung) der Einschaltung im Ermittlungsverfahren.

Der Generalstaatsanwalt  berichtet das die Analyse der Gründe für die bislang vergleichsweise enttäuschende Einschaltquote im Bezirk, wie folgt:

a)   Die Dez. arbeiten im Ermittlungsverfahren vornehmlich tatbestands- und weniger rechtsfolgenbezogen , weil und soweit in der staatsanwaltlichen Abschlussentscheidung – was regelmäßig der Fall ist – eine Sanktion (noch) nicht ausgesprochen wirs.

b)   Die Dez. empfinden den Einsatz der Gerichtshilfe eher als störend, weil hierdurch der Verfahrensabschluss in der Regel verzögert wird.

c)   Sicherlich spielt auch die Besetzung der Gerichtshilfestellen eine Rolle.

Die Analyse hat den Generalstaatsanwalt veranlasst sich an die Generalstaatsanwälte in Stuttgart und Bremen zu wenden; in deren Geschäftsbereichen ein besonders hoher Anteil der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren zu verzeichnen. Beide haben mitgeteilt der hohe Anteil im Ermittlungsverfahren sei durch ständige Hinweise an die Dezernenten in vielen Jahren gewachsen. Der Generalstaatsanwalt in Bremen wies ferner darauf hin, dass die zufriedenstellende personelle Ausstattung der Gerichtshilfe ihrem Einsatz auch vor der Anklageerhebung förderlich gewesen sei.

Die Analyse und die beigezogenen Erfahrungen aus anderen Bundesländern  ergibt folgendes vorläufiges Ergebnis:

a)   Grundlegende Voraussetzung für den optimalen Einsatz der Gerichtshilfe – insbesondere vor Anklageerhebung – ist eine ausreichende personelle Ausstattung der einzelnen Dienst

b)   Im Übrigen setzt aber eine Anhebung der Einsatzquote im Ermittlungs- und Strafverfahren in erster Linie eine Änderung der Haltung der Dezernenten gegenüber der Gerichtshilfe voraus.

Hinweise bei Dienstbesprechungen sowie Kontakte zwischen den Dezernenten und den Gerichtshelfern haben bislang den gewünschten Erfolg nicht erbracht.

Deshalb erscheint der in beiden Modellversuchen gewählte Weg, die Beauftragung der Gerichtshelfer durch Hausverfügung für bestimmte Verfahren bzw. Verfahrensabschnitte anzuordnen und diese mit Kontrollmechanismen zu verbinden, zumindest im Sinne eines Einstiegseffektes („learning by doing ) grundsätzlich richtig.

Wird unter diesen Aspekten nach praktikablen Ansatzpunkten für die Einschaltung der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren gesucht, so bieten sich delikts-, personen- , verfahrens- und rechtsfolgenbezogene Kriterien an. Diese Kriterien müssen gegenüber der bisherigen Regelung in der AV verfeinert und so bestimmt gefasst werden, dass sie wirken und überprüft werden können.

Die Regelung beruht auf dem Grundgedanken, dass in bestimmten Ermittlungsverfahren die Gerichtshilfe frühzeitig eingesetzt werden muss.

Auf ein Kontrollinstrument kann – zumindest für die Fortführung des Modellversuchs – noch nicht verzichtet werden.

Ein Hindernis für die frühzeitige Einschaltung der Gerichtshelfer im Ermittlungsverfahren ergibt sich aus der Befürchtung der Dezernenten, dass hierdurch der Abschluss des Verfahrens verzögert werden könnte. Deshalb wird ausdrücklich auf die Möglichkeit der parallelen Ermittlung hingewiesen. Abgesehen davon muss aber eine gewisse Verzögerung hingenommen werden, weil und soweit durch die Einschaltung der Gerichtshilfe die Qualität der Staatsanwaltlichen Entscheidung dadurch verbessert wird, dass der gesetzliche Auftrag aus § 160 Abs.3 S.1 StPO stärker Berücksichtigung findet.

Auszugsweise Darstellungen des GenSTa Hamm v 24.7.1987, 4205 GStA.1.208

Der damalige Justizminister von Niedersachsen, Prof. Dr. Christian Pfeiffer  kündigte die Reform der Bewährungshilfe anlässlich eines Besuches bei der

Bewährungshilfe am 28.01.2002 an. Als Minister kann er die Struktur der Justiz- Sozialarbeit selbst gestalten, und will dieses in der nächsten Legislaturperiode tun. Pfeiffers Denkanstöße, die er nach seinem gestrigen Erfahrungen bestätigt sieht: Die Bewährungshilfe (Teil der Landgerichte) und die Gerichtshilfe (bei den Staatsanwaltschaften) sollen zusammengelegt werden. Möglicherweise kommen die Sozialarbeiter im Justizvollzug hinzu. Die Gerichtshilfe in heutiger Form nennt Pfeiffer „eine verunglückte Konstruktion“, weil Sozialarbeiter auf Bürotätigkeit reduziert werden.

Flexibel organisiert sollen diese zusammengefassten „Sozialen Dienste der Justiz“ sein – und eigenständig. Er halte es nicht für gut, „dass bundesweit  Juristen, die von Sozialarbeit nichts verstehen, Chefs der Sozialarbeiter sind“. Pfeiffer sieht einen Rechtfertigungszwang als Vorteil an: Er verlangt mehr Leistungskontrolle. Bisher hätten sie ( Bewährungshilfen) sich wissenschaftlicher Effizienzkontrolle – Pfeiffer meint durch sein früheres  Kriminologisches Forschungsinstitut – entzogen.

Auszugsweise Artikel aus dem Göttinger Tageblatt vom 29.01.2002, S.9, von Jürgen Gückel

Der Staatssekretär des Niedersächsischen Justizministeriums, Dr.Jürgen Oehlerking hat im Juli 2006  den Auftrag für das Projekt JustuS erteilt eine Reform der ambulanten sozialen Dienste der Strafrechtspflege eizuleiten. Hierzu wurde eine Kernprojektgruppe (KPG), neun Teilprojektgruppen (TPG) zu unterschiedlichen Themen und ein Projektbeirat mit beratender

Funktion gebildet. Im Projektbeirat werden die Mittelbehörden, Berufsverbände, Gewerkschaften, Personalrat,  und Frauenbeauftragte sowie die betroffenen Abteilungen des Ministeriums beteiligt. Die drei  GenStA Braunschweig, Celle, Oldenburg waren im Beirat, wie auch ADB + ADG vertreten. Zentrale Bedeutung kam der Kernprojektgruppe zu. Die vier (4) Mitglieder kamen aus den Bereichen JM, Haushalt ,Kosten-Leistungsrechnung, Personalsachbearbeitung für den gehobenen Dienst im JM; Sachbearbeiter in der Referatsgruppe Strafrecht im JM, vormals in der Bewährungshilfe; Sozialarbeiter/-pädagoge ; Leiter des Sozialen Dienstes der Justiz Magdeburg, vormals in NiSa in der Bewährungshilfe, Gerichtshilfe, Führungsaufsichtsstelle tätig, danach Versetzung nach Sachsen-Anhalt, dort u.a. an das JM abgeordnet um nunmehr für den Projektzeitraum an das JM Niedersachsen abgeordnet zu werden; Leiter der Projektgruppe, Richter am AG Göttingen, 2001-2004 Jugendrichter, Vollstreckungsleiter für die Jugendarrestanstalt und die Abt. Offener Jugendvollzug, danach abgeordnet in das JM, dort zuständig für die Sachgebiete Jugendstrafrecht und Soziale Dienste, aktuell Projektleiter JustuS.

Warum das Reformprojekt JustuS?

„ In den letzten Jahren ist die Belastung der sozialen Dienste um 50% gestiegen“; Es sollen Möglichkeiten geprüft werden, die Organisationsstruktur und die Arbeitsabläufe zu optimieren, Schnittstellen zwischen Gerichtshilfe, Opferhilfe, Bewährungshilfe, Strafvollzug und Führungsaufsicht untersucht werden.

„Im Projekt JustuS sehe ich die Chance, neue Wege in der Betreuung Straffälliger zu beschreiten und die Zukunftsfähigkeit der Sozialen Dienste auszubauen und zu sichern.“ So die Aussagen der beiden Sozialarbeiter der Projektgruppe.

JustuS Newsletter 01/ 06, NiSa JM , Ausgabe I, 31.08.06

Am 29./30.11.06 fanden im Justizministerium die Workshops mit der Präsidentin und den Präsidenten der Landgerichte und Oberlandgerichte sowie den Generalstaatsanwälten und Leitenden Oberstaatsanwälten statt.

Es wurden die Arbeitsergebnisse der Teilprojektgruppen, die vorab übersandt wurden, besprochen. Insbesondere  wurden die Chancen und Risiken einer Zusammenfassung der getrennten Dienstzweige unter einem Dach zu einem gemeinsamen Sozialdienst diskutiert. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:

-       In beiden Workshops war die vorherrschende Meinung, dass es keinen Bedarf für strukturelle Reformen gäbe.

-       Der fachliche Nutzen einer Integration der Dienste wurde bestritten. Insbesondere bei den Behördenleitern der Staatsanwaltschaften wurde die Befürchtung geäußert , die gute Kooperation zwischen Staatsanwaltschaften und der Gerichtshilfe könne unter einer Integration leiden. Bei einer Vermischung mit der Bewährungshilfe bestünde die Gefahr, dass weniger Gerichtshilfeaufträge bearbeitet würden.

-       In den Teilprojektgruppen (Anmerkung: Sozialarbeiter, mehrheitlich aus der Bewährungshilfe) wurde dagegen Handlungsbedarf für fachliche und strukturelle Reformen gesehen. Überwiegend wurden neue Herausforderungen für die Sozialarbeit in der Justiz und Mängel in der Struktur gesehen.

JustuS Newsletter 4/06, S. 5/6 , NiSa JM, Ausgabe IV, 21.12.06

Hinweise aus dem Protokoll der Beiratssitzung im Rahmen des Projekts JustuS vom 16.01.07.Es wurden Ergänzungen zum Protokoll der Beiratssitzung vom 17.10.06 erwünscht. Herr Hering (ADG) machte ergänzende Ausführungen die bei der Oktobersitzung gemacht jedoch im Protokoll nicht beschrieben wurden. Es geht um die Darstellung, dass die Ressourcen der Gerichtshilfe nicht ausgeschöpft werden und die vorrangige Aufgabe – nach der AV –in der Beauftragung im Ermittlungsverfahren liegen sollte. Stattdessen  werde die GH zunehmend mit der Wahrnehmung anderer Aufgaben (u.a. Vermittlung gemeinnütziger Arbeit) betraut. Eine stärkere Heranziehung der GH in Ermittlungsverfahren könnte zur Darstellung der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten beitragen und für das weitere Verfahren wiederum Einspareffekte ergeben, sei also letztlich kostengünstiger. Das Protokoll wurde im Anschluss einvernehmlich genehmigt. Der Leiter der Kernarbeitsgruppe erläutert den Sachstand des Projektes (Powerpointpräsentation), die den aktuellen Entwurf der Entscheidungsempfehlungen darstellte. Herr Isermann gab sein grundsätzliches Bedauern darüber zum Ausdruck, dass seiner Ansicht nach die Gesprächsinhalte der letzten Workshops, offenbar keinen Eingang in die Entscheidungsempfehlungen gefunden hätten. Insoweit sehe er sich auch gezwungen, den Sinn der heutigen Anhörung und Erörterung zu bezweifeln.

Herr Dr. Hamann und Herr Range(GenStA Celle) traten dieser Auffassung bei und stellten darüber hinaus die Frage in den Raum, ob Alternativen zu den vorliegenden Entscheidungsempfehlungen überhaupt diskutiert würden.

Dieses wurde durch den Sitzungsleiter Dr. Hackner entschieden zurück gewiesen. Der Leiter der Kernprojektgruppe, Herr Scherrer ergänzte, dass sich der Entwurf nicht schriftlich mit sämtlichen Argumenten auseinandersetzen könne, da dies den Rahmen sprengen würde. Schließlich werde eine Reform der sozialen Dienste schon seit Jahrzehnten diskutiert und im Laufe der Zeit seien zahlreiche Argumente bereits ausgetauscht.

Zur Entscheidungsempfehlung – Eigenständige Organisation und Integration eröffnete Herr Range (GenStA Celle) die Diskussion mit dem Statement, dass eine Integration seiner Ansicht nach keine Vorteile gegenüber dem bisherigen System bringe. Er äußerte die Befürchtung, dass bei einer Integration der Dienste die Gerichtshilfe  an Stellenwert verlieren  und letztlich nicht mehr stattfinden werde. Zur Untermauerung verwies er auf statistisches Material aus Sachsen-Anhalt, wo die Gerichtshilfe kaum noch Tätigkeiten im Ermittlungsverfahren wahrnehme. Dieses führt Herr Range darauf zurück, dass sich die Gerichtshilfe außerhalb der Staatsanwaltschaften befinde und darum schlechter wahrgenommen werde.

Herr Range sprach sich ausdrücklich gegen eine Integration aus. Herr Hering äußerte eine fehlerhafte Betrachtungsweise bei den vorgelegten Entscheidungsempfehlungen. Die Gerichtshilfe sei ausdrücklich als soziale Ermittlungshilfe bei der Justiz implementiert worden. Auf den Einwand von Herrn Scherrer, dass auch bei einer Integration der Dienste die Angebote der Gerichtshilfe bestehen blieben, entgegnete Herr Hering, dass das bloße Angebot nicht ausreichend sei. Eine Inanspruchnahme der Gerichtshilfe bei deren vorrangigen Aufgaben werde nur stattfinden, wenn sie vor Ort genügend wahrgenommen werde, was nur durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft als Auftraggeberin und Anbindung an diese zu gewährleisten sei.

Dr. Hamann betonte die Kernprojektgruppe sei den Nachweis schuldig geblieben, dass überhaupt Reformbedarf bestehe und die Systeme der anderen Bundesländer tatsächlich effektiver seien, als das bisherige in Niedersachsen. Insoweit sei bedauerlich, dass das Konzept diese Grundproblematik nicht aufgreife. Herr Wolf hegt die Befürchtung, dass die Umsetzung des vorgeschlagenen Modells auf eine Abschaffung der Gerichtshilfe hinauslaufen werde.

Protokoll der 2. Beiratssitzung im Rahmen des Projekts JustuS am 16.01.2007 , MJ, 4263-S3.157 SH 2

In Niedersachsen besteht nun der Ambulante Justizsozialdienst (AJSD)

Rheinland – Pfalz hat organisatorisch mit Einführung der Gerichtshilfe diesen Bereich vom Sozialdienst der Justiz, mit Anbindung zu den Landgerichten angeboten. Es gab über Jahre kaum Aufträge von den Staatsanwaltschaften. Anfragen zum Aufbau einer Gerichtshilfe bei den Staatsanwaltschaften wurden durch das Justizministerium mit der Begründung es gäbe kein Bedarf, man verzeichne keine Aufträge aus dem Ermittlungs- und Vorverfahren beantwortet. Eine Veränderung trat in der Haltung des JM ein als mehrere  dem Bundesgerichtshof für Strafsachen aus RLP mit dem Hinweis auf fehlende bzw. nicht ausreichende Ausführungen zur Beurteilung der Täterpersönlichkeit aufgehoben wurden.

„Ohne die Kenntnis der Täterpersönlichkeit lässt sich weder das Maß der persönlichen Schuld eines Täters noch Maß und Art seiner Resozialisierungsbedürftigkeit, insbesondere nicht seine Strafempfindlichkeit beurteilen. BGHSt 7, 28, 31

Da in Baden-Württemberg an mehreren Gerichtshilfestellen eine erkennbare Beauftragung im Vorverfahren feststellbar war, dieser Sozialdienst zu den Staatsanwaltschaften gehörte, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Gerichtshilfe (ADG) bei der Staatsanwaltschaft Tübingen als Gerichtshelfer wirkte, wurden 2 Gerichtshelfer in das Justizministerium RLP eingeladen. Dort berichteten die Praktiker aus BW über die Auftragslage, Formen der Beauftragung und Zusammenarbeit mit den Staatsanwälten sowie die Verwertung der Gerichtshilfeberichte durch die Staatsanwälte und Strafrichter.

Aus dem Schreiben des JM vom 24.03.1992 an die Generalstaatsanwaltschaften in Zweibrücken und Koblenz ist zu entnehmen, es geht um die Zuordnung der Gerichtshilfe. Dort wird berichtet die Präsidenten der Oberlandesgerichte vertreten die Ansicht, dass der bestehende Sozialdienst in seiner Einheit erhalten werden sollte. Vorteil dieser Regelung werden in einer gewissen Durchlässigkeit gesehen, die insbesondere  eine qualifizierte Vertretung in Krankheits- und Urlaubsfällen ermöglicht.

Andererseits  wurden die im Rahmen der Erprobungsphase (Abordnung und Zuweisung zur STA) gewonnenen Erkenntnisse nicht verkannt, die belegen, dass eine möglichst effektive Nutzung des Instruments Gerichtshilfe, d. h.  ihre verstärkte Einschaltung im Ermittlungsverfahren, nur bei personeller Konzentration und Spezialisierung erwartet werden kann. Auch dass die enge räumliche Anbindung an die Staatsanwaltschaft nach Auffassung der Praktiker zu einer verbesserten Akzeptanz beigetragen hat.

Eine Herauslösung der Gerichtshilfe aus dem bestehenden Sozialdienst der Justiz soll erst erfolgen, wenn die erforderlichen organisatorischen – der Bewährungshilfe vergleichbaren Rahmenbedingungen für eine eigenständige Gerichtshilfe gegeben sind. Bis dahin sollte die bisher praktizierte Abordnungsregelung beibehalten werden. Es gab in den Folgejahren eine deutliche Zunahme der Beauftragungen. Deutlich mit dem Schwerpunkt der Aufträge im Ermittlungsverfahren und der Folge eines landesweiten Ausbaus der Gerichtshilfestellen ausschließlich bei den Staatsanwaltschaften. Nach den Landtagswahlen, der Bildung einer Koalitionsregierung von SPD/die Grünen sah der Koalitionsvertrag vor, dass die sozialen Dienste der Justiz in einer neuen Struktur organisatorisch und konzeptionell zusammengeführt und in einer einheitlichen Dienst- und Fachaufsicht unterstellt werden, um die Effizienz des Übergangmanagements durch ein eng verzahntes Hilfs- und Überwachungssystem deutlich zu verbessern. So die Ausführungen des Ministeriums (AZ:4205-3) in einem Anschreiben an den Präsidenten des Landtags als Vorbereitung der Sitzung des Rechtsausschusses am 19.06.2012. In dem Schreiben wird beschrieben welche Bundesländer den Prozess der Umorganisation und Zusammenführung in eine einheitliche Struktur schon geführt haben. In dem Schreiben wird als zweiter Schritt die Entwicklung einer Organisationsform angekündigt. In der Strafrechtspflege haben sich die Behördenleiter der Gerichte, der Staatsanwaltschaften, der Landesarbeitsgemeinschaften der Bewährungs- und Gerichtshelfer mit den Vertretern der Landtagsfraktionen zusammengeschlossen, einen engen Informationsaustausch vereinbart und umgesetzt sodass Ende 2014 ein modifizierter Reformvorschlag nach der Befassung unserer Argumente für die Gerichtshilfe dem Landtag vorgelegt und dort so verabschiedet wurde.

„Die Strukturen der Gerichtshilfe bleiben unverändert erhalten. (17.11.2014).

In zwei Aufsätzen

-       Soziale Dienste der Justiz in Deutschland: Ein Ländervergleich von Lisa Lutzebäck,

-       Stand und Perspektive der Gerichtshilfe in Deutschland

beide im Forum Strafvollzug FS2/2014 abgedruckt erhält der Leser einen Überblick wie jeweils die Entwicklung in den Bundesländern bisher verlaufen ist. Ergänzend sei darauf verwiese in Hessen und Bayern laufen Veränderungen an,

in einigen Bundesländern gab es mehrfach Probeläufe bzw. Strukturveränderungen ohne  belastbare , überprüfbare Ergebnisse für den Vergleich zwischen den Ländern abrufen zu können.

22.08.2019
R. D. Hering

Kommentare

  • Keine Kommentarte vorhanden.
  • Trackbacks are disabled.

Hinterlasse eine Antwort

*