Anmelden
RSS Feed

Elektronischer Hausarrest

Dieses Thema wurde bisher aktuell, emotional und unter den verschiedenen Überschriften wie z.B.

  • „elektronische Fußfessel”,
  • „elektronische Überwachung außerhalb des Vollzugs” oder
  • „intensive Kontrolle als humaner Strafvollzug”
  • „elektronisch überwachter Hausarrest”

diskutiert.

Den Themen gemeinsam ist der Ansatz, dass die Vollzugsanstalten zu entlasten und Neubauten von Haftanstalten zu vermeiden sind. Ob die elektronische Fußfessel / elektronisch überwachter Hausarrest hierzu überhaupt einen Beitrag leisten kann oder ob möglicherweise andere Ansätze, die den Kernbereich des Vollzugs betreffen, besser geeignet wären, soll hier nicht weiter erörtert werden. Dazu könnten jedoch konkrete Anregungen vorgelegt werden.

Wenn wir die elektronische Fußfessel als eine denkbare kriminalpolitische Möglichkeit ansehen und für die Fachdiskussion Anleihen aus dem europäischen Ausland hinzuziehen, müssen wir deren Erfahrungen zur Kenntnis nehmen und vor einer Übertragung in unser Rechtssystem deutlich hinterfragen! Dies gilt für den in Frage kommenden Täterkreis, die verübte Straftat, den gesetzlichen Strafrahmen für das, was justizpolitisch angestrebt wird.

In Schweden, (wo Verkehrsstraftaten unter Alkoholeinfluß generell eine zu verbüßende Haftstrafe nach sich ziehen) leben die meisten Verurteilten in geordneten sozialen Verhältnissen. Hier können durch den Einsatz der elektronischen Fußfessel Haft entfallen und negative soziale Haftfolgen wie z.B. Arbeitsstellen- und Einkommensverlust vermieden werden. Bei vergleichbaren Taten steht in der Bundesrepublik Deutschland bisher die Haftstrafe als Sanktion nicht zur Debatte.

Betrachten wir die Situation in den Niederlanden, fällt auf, dass der Ansatz im elektronischen Fußfessel-Verfahren vor dem Urteil nicht so greift wie angedacht und gewünscht. Wesentlich in diesem Zusammenhang sind die anderen vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten wie z.B.„Dienstverlening” (gemeinnützige Arbeit), die neben den Geld- und Freiheitsstrafen als weitere Strafe und als echte Alternative zur zu verbüßenden Haft zur Verfügung steht. Ein zu einer Haftstrafe bis zu 9 Monaten Verurteilter (dies sind ca. 80% aller verhängter Freiheitsstrafen) kann die Ableistung gemeinnütziger Arbeit wählen, um seine Haft zu vermeiden. Die Umsetzung der elektronischen Fußfessel erfolgt durch Einschaltung der Sozialarbeit und deren Abklärung, sowie Information der Justiz vor dem Urteil. Es verbleibt nur ein geringerer Teil von Straftätern, bei denen die Anwendung der elektronischen Fußfesselung in Betracht kommt, zumal in Untersuchungshaft nur schwerwiegendste Fälle verbleiben. Dieses hängt mit der deutlich anderen Untersuchunghaft-Situation in den Niederlanden als in der Bundesrepublik Deutschland zusammen:

In jedem Gerichtsbezirk steht nur eine begrenzte Anzahl von Untersuchungshaftplätzen zur Verfügung. Mehr als eine Person darf nicht in der Haftzelle untergebracht werden. Bei jeder Staatsanwaltschaft gibt es einen sogenannten „Wegschickoffizier”. Dieser Staatsanwalt muß – sofern Untersuchungshaft vollzogen werden soll – bei einer vollen Auslastung „seiner” Untersuchungshaftplätze klären, wen von den bisher Inhaftierten er „wegschickt”, also entläßt. Soweit die Regelsituation in den Niederlanden mit der Folge, dass häufig nur die schwersten Fälle, bzw. die problematischsten Personen in Untersuchungshaft sind.

Unseres Erachtens ist der Einsatz der elektronischen Fußfessel in derBundesrepublik Deutschland als Ersatz für Untersuchungshaft über Einzelfälle hinaus nicht zu erwarten. In der Bundesrepublik Deutschland kann/soll die Staatsanwalt die Gerichtshilfe als „Haftentscheidungshilfe” einsetzen. Die Gerichtshilfe hat dabei zu prüfen, ob entgegen der bisherigen Annahmen doch soziale Bindungen vorliegen und damit der Untersuchungs-Haftbefehl außer Vollzug gesetzt oder gegebenenfalls andere Maßnahmen (z.B. Unterbringung in einer stationären Einrichtung bei Suchtabhängigkeit) an Stelle von Untersuchungshaft treten könnte.

Unter der Voraussetzung, dass eine Einwirkung auf den Beschuldigten/Verurteilten, seine Problem, die zur Tat führten, anzugehen, an ihnen zu arbeiten und diese mit der sozialarbeiterischen Hilfestellung langfristig zu stabilisieren erfolgreich ist, kann der Betreuungs- und Überwachungsansatz im Zusammenhang mit einer Haftverkürzung gekoppelt werden. Betreuungsarbeit zum elektronischen Hausarrest kann positive Ergebnisse bringen, da – wie schon geschildert – der Übergang vom Vollzug in die Eigenverantwortlichkeit abgestufter umsetzbar ist. In der Zeit nach dem Vollzug wird die Freizeit beschnitten, also der Bereich, in dem Rückfälle in strafrechtliche Auffälligkeiten besonders häufig festgestellt werden. Mit Hilfe der elektronischen Fußfesselung kann Schritt für Schritt die Eigenverantwortlichkeit erhöht werden. Dieses kann ein neuer Ansatz für die Resozialisierung bedeuten. Die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Gerichtshilfe e.V. (ADG) stimmt derartigen Versuchen zu.

Für die Beteiligung der Gerichtshilfe an der Umsetzung eines solchen Projektes gibt es u. E. jedoch wichtige Hinderungsgründe:

  • der Bundesgesetzgeber,
  • die Ausführungsbestimmungen der Länder und
  • die Kommentare zu den Gesetzen

sehen für die Gerichtshilfe keinen Betreuungsauftrag vor. Die Gerichtshilfe leistet Ermittlungsarbeit zur „Erforschung der Persönlichkeit Beschuldigter, ihrer Entwicklung und ihrer Umwelt”. Die Gerichtshilfe ist anamnestisch-diagnostisch für den Strafjuristen tätig. Dazu gehört auch Überparteilichkeit und Objektivität. Sie „hat alle für und gegen den Beschuldigten sprechenden Tatsachen gleichermaßen zu berücksichtigen” Betreuungsarbeit ist jedoch parteiliche Arbeit!

Ist begleitende Betreuung bei der elektronischen Fußfessel nicht gewünscht, entfällt die Grundlage für den Arbeitseinsatz von Sozialarbeit überhaupt.

  • Soweit die Gerichtshilfe zur Abklärung, ob die elektronische Fußfessel sinnvoll wäre, zum Zeitpunkt des Ermittlungsverfahrens einen Auftrag erhält, könnte in Einzelfällen geprüft werden, ob der Einsatz der elektronischen Fußfessel vorgeschlagen werden könnte.
  • Im Vollstreckungsverfahren (Verkürzung der Haftdauer durch Einsatz der elektronischen Fußfessel mit Bewährungsüberwachung) sollte die zuständige Bewährungshilfe vor Ort die tatsächlichen Bedingungen in Augenschein nehmen, beurteilen und berichten, da anschließend der Bewährungshelfer die Maßnahme auch umzusetzen und zu begleiten hat.
  • Alternativ kann/soll der Vollzug dieses Projekt ausgestalten und/oder Personal bereit stellen, da möglicherweise ausschließlich der Vollzug von der Einführung der elektronischen Fußfessel profitiert.

Wir weisen vorsorglich daraufhin, dass vor einem möglichen Einsatz der elektronischen Fußfesselung generell die Abklärung der häuslichen Bedingungen stehen muß. In Schweden und in den Niederlanden ist dies eine unverzichtbare Voraussetzung . Ohne eine entsprechende Stellungnahme des Sozialdienstes wird keine derartige Maßnahme beschlossen.

Sollte entgegen unserer Stellungnahme die Gerichtshilfe in das Projekt eingebunden werden, so ist

  • für eine Entlastung der Aufträge im Nachverfahren oder
  • für weitere Planstellen

Sorge zu tragen.

Bei letzterem Punkt wird wohl nur an Stellenverlagerung zu denken sein, da die Schaffung neuer Planstellen aus Haushaltsgründen nicht möglich erscheint. Wenn der Vollzug von einer Haftplatzentlastung – ob Regelvollzug oder Untersuchungshaft – ausgeht, wären die Sozialarbeiter von dort zu den Projekten zu mindest abzuordnen.

Rainer-Dieter Hering

Kommentare

  • Keine Kommentarte vorhanden.
  • Trackbacks are disabled.

Hinterlasse eine Antwort

*