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Entwicklung der Gerichtshilfe, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den anderen Sozialdiensten der Justiz

Festvortrag anlässlich der Festveranstaltung am 14. Dezember 2000 zum 20-jährigen Jubiläum der Einrichtung einer Gerichtshilfe in Schleswig-Holstein

Tagungsort: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 24837 Schleswig, Gottorfstr. 2

Aus Anlass der Festveranstaltung in Verbindung mit einer Arbeitstagung zu einem aktuellen kriminalpolitischen Thema, gemeinsam geplant vom Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein und der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Gerichtshilfe e.V. (ADG), geht dieser Festvortrag auf die geschichtliche Entwicklung, die Zielsetzung der Gerichtshilfe, die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zu den anderen Sozialdiensten der Justiz ein. Es gilt, häufig im Zusammenhang mit der Sozialarbeit der Justiz auftauchende Begriffe, die unterschiedlich ausgelegt werden, klar zu bestimmen und die Einbindung in die Strafjustiz und die Handlungsabläufe zu beschreiben.

Der Festvortrag kann in diesem Sinne einen Beitrag zum Thema der Arbeitstagung „Opfer-Zeugen-Betreuung und Opferberichterstattung“ leisten. Darüber hinaus sollen die Ausführungen generell zur besseren Wahrnehmung der Gerichtshilfe als einen besonderen Dienst bei den Fachleuten inner- und außerhalb der Justiz beitragen.

Geschichtliche Entwicklung

Die Gerichtshilfe (GH) wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts ins Leben gerufen. Waren noch bei der Entstehung des Strafgesetzbuches der Schuld-Sühne-Gedanke sowie die Maxime der Generalprävention vorherrschend, gewann man mit der Entwicklung der forensischen Forschung die Einsicht, dass die Persönlichkeit des Täters und seine Beweggründe stärker zur Beurteilung seiner Handlungsweise heranzuziehen sind.

In der Weimarer Republik wurden zu Beginn der 20iger Jahre in verschiedenen Städten die – damals häufig so bezeichnete – „Soziale Gerichtshilfe“ eingerichtet. Es könnte also deshalb sein, dass in dieser Zeit bis 1933 auf dem Gebiet des heutigen Bundeslandes Schleswig-Holstein schon eine Gerichtshilfe tätig war. Generell wurde diese Entwicklung durch das Dritte Reich unterbrochen. Der Gedanke der Gerichtshilfe wurde in den ersten Nachkriegsjahren wieder aufgegriffen. Die Erkenntnisse aus den in der Vorkriegszeit bestehenden Gerichtshilfestellen (ca. 380 im damaligen Deutschen Reich) spielten eine Rolle beim Aufbau der jetzigen Gerichtshilfe. Kam es in der Weimarer Zeit darauf an, wer Träger dieser Sozialen Gerichtshilfe war, ob Kommunen, die Justiz selbst oder freie Wohlfahrtsverbände – je nachdem wurden die Akzente und Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt  -, so wollten die Initiatoren in der Bundesrepublik Anfang der 60iger Jahre einen deutlich von den Erfordernissen und Bedürfnissen der Strafjustiz ausgerichteten Gerichtshilfedienst ins Leben rufen.

Ebenso wie bei der Bewährungshilfe, deren Entwicklung mit einer Versuchsreihe in den 50iger Jahren begann, ging man in den 60iger Jahren vor der generellen Einführung der Gerichtshilfe mit der praktischen Erprobung zu Werke. Eine Versuchsreihe in den Städten Bonn, Wiesbaden, Osnabrück, Ulm und Augsburg sollten Hinweise für eine spätere flächendeckende Einführung bringen. Die Justizministerkonferenz sprach sich 1968 für die Einführung der Gerichtshilfe aus. In den folgenden Jahren entstanden in der damaligen Bundesrepublik Deutschland in allen Bundesländern außer dem Saarland Gerichtshilfedienststellen.

Es folgte ein zielgerichteter Ausbau der Gerichtshilfe, so dass wir zum heutigen Zeitpunkt außer in Bayern die Gerichtshilfe flächendeckend (wenn auch in unterschiedlichen organisatorischen Strukturen) vorfinden. Im Freistaat Bayern mit 22 Staatsanwaltschaften gibt es dagegen nur für den Bereich der Staatsanwaltschaften München II, Nürnberg, Memmingen/Kempten und Augsburg eingerichtete Gerichtshilfestellen, wobei in Augsburg und Memmingen sowie Kempten jeweils nur eine Planstelle existiert. Das Saarland hat von Beginn an einen Sonderweg durch Schaffung eines Sozialdienstes der Justiz eingenommen, der alle anfallenden Aufträge abdecken soll. Tatsächlich hat sich hieraus für dieses kleine, überschaubare Bundesland eine Bewährungshilfedienststelle entwickelt, in der wir die klassischen Gerichtshilfeaufgaben bis in die Gegenwart (ausgenommen der Amtshilfeersuchen) nicht vorfinden.

Nach der Wiedervereinigung, der Bildung der neuen Bundesländer, dem Aufbau der Justiz und ihrer Strukturen kam es auch dort zur Einführung der Sozialen Dienste der Justiz. Vergleichbares geschah für das Gebiet von Groß-Berlin.

Außer in dem Saarland und den Stadtstaaten mit ihren besonderen räumlichen Bedingungen waren die Gerichtshilfen Teil der Staatsanwaltschaften.

In den 80iger Jahren wurde die Diskussion beherrscht von Organisationsfragen, in denen es um die Einführung des sogenannten einheitlichen Sozialen Dienstes der Justiz ging. Die Befürworter verwiesen auf andere europäische Länder, lenkten den Blick auf die Privatisierung der Sozialen Dienste in den Niederlanden und Österreich, da sie davon überzeugt waren/sind, dass nur durch neue Strukturen möglicherweise auch die Herauslösung der Sozialarbeit aus der Justiz selbst eine bessere Entwicklung und bessere Leistungsangebote möglich seien. Dass gerade in dieser Zeit in den skandinavischen Ländern genau der umgekehrte Weg von den privaten Vereinen weg zu den staatlichen Organisationsformen gegangen wurde, blieb meist unerwähnt. Es ist damit zu rechnen, dass im Verlaufe des Jahres 2001 auch in Finnland die Straffälligenhilfe (global beschrieben), die bislang privat organisiert ist, zu einem staatlichen Dienst wird.

Diese Organisationsdebatte, die über viele Jahre mit einem erheblichen finanziellen und personellen Einsatz vorangetrieben wurde, sah zentral die Zusammenfassung der bis dahin getrennten Fachdienste Bewährungs- und Gerichtshilfe zu einem einheitlichen Dienst mit Anbindung an die Landgerichte oder – wie in Sachsen-Anhalt – gewissermaßen freischwebend neben den Landgerichten und den Staatsanwaltschaften in den jeweiligen Landgerichtsbezirken vor. Nur die jüngeren Strukturpläne der Fachabteilung des Justizministeriums Schleswig-Holstein zeigten einen strukturellen anderen Ansatz. Hier sollten die Fachdienste Bewährungs- und Gerichtshilfe gemeinsam organisatorisch den Staatsanwaltschaften zugeordnet werden, da nur hierdurch ein frühstmöglicher Einsatz der Sozialarbeit abgesichert vorstellbar sei.

Der später in ihrem Land tatsächlich vorgenommene Erprobungslauf im Landgerichtsbezirk Flensburg sah dann allerdings in seinen Vorgaben anders aus. Die bis dahin bei der Staatsanwaltschaft Flensburg eingebundene Gerichtshilfe kam räumlich mit der Bewährungshilfe außerhalb des bisherigen Behördengebäudes zusammen. Weiteres über diesen Probelauf brauchen wir an dieser Stelle nicht ausführen, da es bei diesem Vortrag um die mit der Organisationsdiskussion zusammenhängenden Auswirkungen geht.

Durch die Wiedervereinigung und den Aufbau der neuen Bundesländer ergibt sich nunmehr die Situation, dass die Gerichtshilfeaufgaben in etwa der Hälfte der bestehenden Bundesländer im Rahmen des einheitlichen Sozialen Dienstes und in den anderen Bundesländern durch die spezialisierte Gerichtshilfe bei den Staatsanwaltschaften bzw. den senatorischen Dienststellen umgesetzt werden sollen.

Auch wenn weiterhin Bemühungen von Personen/Stellen laufen, sogenannte gemeinsame Soziale Dienste einzurichten, so ist doch die Organisationsdiskussion zu Gunsten einer aufkommenden Generaldebatte über die Effektivität und Effizienz der Justiz in den Hintergrund getreten. Dieses ist m.E. schon deshalb zu befürworten, da die Organisationsdebatte mit dem Ziel neuer Strukturen und der Verbesserung der fachlichen Arbeit die vorgegebenen positiven Ergebnisse für die Gerichtshilfearbeit nicht erbrachten. Die Erfahrungen aus den Bundesländern mit den einheitlichen Sozialen Diensten bringen ernüchternde Ergebnisse im Hinblick auf die klaren Aussagen des Bundesgesetzgebers und aller Landesjustizministerien, dass der vorrangige Einsatz der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren erfolgen sollte. Auch Alt-Bundesländer wie das Saarland und Bremen, die vergleichbare Organisationsstrukturen haben, melden nur überaus bescheidene Auftragszahlen der Gerichtshilfeeinschaltung im Ermittlungs- und Vorverfahren.

Die Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz könnten dagegen verdeutlichen, welche Überlegungen von Gewicht sind. Bei der Einführung der Gerichtshilfe wurde dieser Dienst den Staatsanwaltschaften zugeordnet, da sich nicht sehr viel entwickelte, kam es zur Bildung des einheitlichen Sozialdienstes mit Anbindung an die Landgerichte, in denen jeweils der dienstjüngste Mitarbeiter der Bewährungshilfe die Gerichtshilfeaufgaben ausführen musste.

Die Auswertung der über Jahre hinweg unzufriedenen Ergebnisse brachten das Justizministerium dazu, dieses Mal zielgerichteter und äußerst gut vorbereitet, neuerlich Sozialarbeiter des Sozialen Dienstes auf dem Abordnungswege den Staatsanwaltschaften zuzuweisen. Ab dieser Zeit gab es oft Dienstbesprechungen und einen laufenden Meinungsaustausch zwischen den Behördenleitungen (Staatsanwaltschaften) und dem Justizministerium über Möglichkeiten der Förderung der jeweiligen Gerichtshilfe. Da erfahrene Sozialarbeiter für diese Aufgaben abgeordnet wurden und die Behördenleitungen sowie die Generalstaatsanwälte das Projekt gemeinsam angingen, war im Gegensatz zur Ersteinführung der Gerichtshilfe eine Entwicklung abgesichert, die die Zusammenarbeit der Dezernenten der Staatsanwaltschaft mit diesen Sozialarbeitern erfreulich und eng aufeinander abgestimmt möglich machte. Nach einigen Jahren der praktischen Erprobung ist nunmehr endgültig die Gerichtshilfe ein Teil der Staatsanwaltschaften.

Gerade dieses Beispiel aus Rheinland-Pfalz sowie die Überlegungen beim Justizministerium in Schleswig-Holstein, dass der frühzeitige Einsatz der Sozialarbeit nur durch Anbindung bei den Staatsanwaltschaften sicherzustellen ist, und die aktive Gestaltung des Generalstaatsanwalts des Landes Schleswig-Holstein, seine nachgeordneten Dienststellen vermehrt den Gerichtshilfeeinsatz im Ermittlungsverfahren anzudienen, zeigt deutlich, unter welchen Vorzeichen eine Optimierung der Gerichtshilfearbeit möglich wird. Dadurch erhalten die Staatsanwälte Informationen von ihrer Endverfügung. Unter derartigen Vorzeichen sind die Vorgaben des Bundesgesetzgebers (§ 160 Abs. 3 StPO) und der Landesjustizministerien im Ermittlungsverfahren umsetzbar.

Um in diese Richtung derartige Ergebnisse dauerhaft absichern zu können, bedarf es einer Reihe von weiteren Erkenntnissen, die das Tätigkeitsfeld „Gerichtshilfe“ in den Umrissen deutlicher für alle Betrachter macht.

Vorgaben durch den Bundesgesetzgeber – Länderverfügungen

Wie schon darauf hingewiesen, hat der Bundesgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren deutlich darauf hingewiesen, dass er die zu schaffende Gerichtshilfe vorrangig im Ermittlungsverfahren eingesetzt sehen wollte. In allen Bundesländern hat man sich dieser Aussage uneingeschränkt angeschlossen. Urteile des Bundesgerichtshofs in Strafsachen haben in einer Reihe von Entscheidungen darauf hingewiesen, dass neben der Würdigung des Tathergangs auch der Beurteilung der Täterpersönlichkeit eine gleichrangige Bedeutung zukommt. Wörtlich:

„Ohne die Kenntnis der Täterpersönlichkeit lässt sich weder das Maß der persönlichen Schuld eines Täters noch Maß und Art seiner Resozialisierungsbedürftigkeit, insbesondere nicht seine Strafempfindlichkeit beurteilen“ (BGHSt 7, 28, 31).

Aus dieser Beurteilung des BGH lässt sich ableiten, welche Aufgabe der Gerichtshilfe zukommen sollte, damit gleichrangig Tat und Täterpersönlichkeit erfassbar und darstellbar werden. Aus dem Großkommentar Löwe-Rosenberg zum § 160 Abs. 3 StPO ergibt sich u.a., dass es ohne die Einschaltung der Gerichtshilfe häufig an jeder sicheren Feststellung der einschlägigen Strafzumessungstatsachen fehlen werde. Es wird in dem Kommentar auch gleichermaßen deutlichst darauf hingewiesen, dass die Entwicklung und die Umwelt des Beschuldigten zu erforschen ist, dessen Entwicklungsschwierigkeiten festzustellen wären, seine sozialen Kontakte und seine konkrete Lebenssituation zur Tatzeit zu beschreiben wäre und man sich hierbei um ein objektives Bild zu bemühen habe. Es gehe eben nicht nur darum, die für den Beschuldigten günstigsten Umstände herauszufinden, sondern die Gerichtshilfe hat alle Erkenntnisquellen zu benutzen und muss die Wirklichkeit objektiv feststellen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich für den Beschuldigten positiv oder negativ auswirken kann. Es folgt der Hinweis, dass die Gerichtshilfe in diesem Sinne Ermittlungsorgan und nicht Fürsorgebehörde sei.

Die Betonung der Objektivität im Arbeitsansatz macht die Trennungslinie zu den betreuenden, parteilich ausgerichteten Diensten deutlich. Diese Aussage weist darüber hinaus auch darauf hin, wie wesentlich ein klares Leitbild für das Tätigkeitsfeld „Gerichtshilfe“ ist, damit sowohl die in der Gerichtshilfe tätigen Sozialarbeiter wie auch die Auftraggeber auf dieser Grundlage die Arbeit, die Zusammenarbeit und die inhaltlichen Diskussionen führen können.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den anderen Sozialdiensten der Justiz

Die Gerichtshilfe ist ein Sozialdienst für die Justiz, ein Dienstleistungsbereich vorrangig für die Staatsanwaltschaft und das Gericht. Sie ist – untypisch für den überwiegenden Bereich der Sozialarbeit – nicht mit einem Betreuungsauftrag ausgestattet. Die Kontakte zu den Betroffenen können sehr intensiv sein, sind nicht auf eine Langzeitbegleitung ausgelegt und die Gerichtshilfemitarbeiter sollen bei Erkennung eines Betreuungsbedarfes erste soziale Hilfen einleiten können, dann jedoch auf andere bestehende Fachleute/-dienste überleiten.

Von den in der Gerichtshilfe Tätigen wird Neutralität und Überparteilichkeit bei den Feststellungen zur Persönlichkeit des Betroffenen, seiner Stellung im sozialen Umfeld sowie den Stärken und Schwächen in seinem Verhalten und in seinen Reaktionsweisen gefordert.

Im Gegensatz zur Berichterstattung der Bewährungshilfe, die den Bewährungsverlauf widerspiegeln soll, wo ansonsten eine Vertrautheit und soziale Nähe über eine längere Zeit aufgebaut werden kann, muss die Gerichtshilfe in sehr kurzer Zeit Fakten auflisten, abgesicherte Hinweise geben, damit hieraus eine nachvollziehbare Diagnose möglich wird und sich prognostische Folgerungen hinsichtlich der weiteren Gefährdung und der Interventionsmöglichkeiten ergeben. Um diese Arbeit umzusetzen, bedarf es vertiefter Kenntnisse und eines entsprechenden Zeitaufwandes, damit ein qualitativ gutes Arbeitsergebnis, welches auch Überprüfungen standhalten kann, möglich wird. Hierzu ist eine Fachkompetenz notwendig, die auf die speziellen Anforderungen ausgerichtet ist und über die Kenntnisse der generalistischen Sozialarbeiterausbildung hinausgeht. Diese Beschreibung macht deutlich, welche grundsätzlichen Eckpunkte für die im Tätigkeitsfeld „Gerichtshilfe“ Beschäftigten von Bedeutung sind, sie gibt aus dem Blickwinkel der Fremdbetrachtung den dortigen Personen eine Orientierung über die Gerichtshilfe.

Bei der Umsetzung der gestellten Aufgaben muss den betroffenen Personen bei der Kontaktaufnahme erläutert werden, in wessen Auftrag gehandelt wird, was ermittelt werden soll, dass die Zusammenarbeit mit der Gerichtshilfe nur auf freiwilliger Basis erfolgen kann und dass die gemachten Angaben im Strafverfahren verwendet werden können. Dort, wo ein Zeugnisverweigerungsrecht gegeben ist, soll darauf verwiesen werden. Hinzu käme die Erläuterung wie die Arbeits- und Umsetzungsschritte aussehen, mit welchen Personen aus dem sozialen Umfeld möglicherweise Gespräche geführt werden.

Schon hierdurch wird deutlich, dass die mit der Gerichtshilfe in Berührung kommenden Personen entscheiden, ob sie mit der Gerichtshilfe zusammenarbeiten wollen. Es ist ihr freiwilliger Entschluss vonnöten, wogegen der Ausgangspunkt in der Kontaktaufnahme mit der Bewährungshilfe durch einen Beschluss vorgegeben ist. Der Verurteilte hat mit dem für seinen Wohnort zuständigen Bewährungshelfer zusammenzuarbeiten. Im Zweifelsfall oder bei Problemfällen kann ein Bewährungshelferwechsel ermöglicht werden. Gleichfalls bleibt es bei einer vorgegebenen, verordneten Zusammenarbeit, aus der sich möglichst bald eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln sollte.

Die Gerichtshilfe ist vom Grundsatz her eine aufsuchende Sozialarbeit. Darin liegt ein besonderer Vorteil, da hierdurch die persönlichen, familiären und örtlichen Bedingungen klarer erfass- und berichtbar werden.

Wenden wir uns nun – wenn auch nur skizzenhaft vorgetragen – den einzelnen Aufgabenfeldern zu:

Gerichtshilfebericht im Vorverfahren

Die Erstellung von Gerichtshilfeberichten im Ermittlungs- und Vorverfahren orientieren sich an der Problemstellung der Strafbedrohung und der Komplexität des Einzelfalles. Die Vertiefung bzw. ausführliche Darstellung einzelner Lebensbereiche sollte deliktsbezogen erfolgen. Im Einzelfall wird die Gerichtshilfe nach Sachlage spezielle Punkte unerörtert lassen bzw. Schwerpunkte bilden. In der Erhebung sollten die Einzelpunkte getrennt behandelt werden. Es ist eine systematisch geordnete Detailstruktur bei der Berichterstattung einzuhalten. Hierzu gehören Hinweise über den Auftrag, Quellenangaben, Kontakte (wieviele Einzelgespräche und mit wem) und die Belehrung. Es folgt die lebensgeschichtliche Entwicklung bis zur gegenwärtigen Lage. Bei Problemlagen, Abhängigkeiten und Süchten soll je nach Ausprägung einer Besonderheit der Abschnitt spezifisch ausgebaut und verfeinert sein. Der Bericht umfasst weiterhin den Komplex der aktuellen Lebenssituation, der Zukunftsvorstellung, gibt Hinweise über die Einstellung des Beschuldigten zum Tatvorwurf. Ein Bericht schließt mit der sozialpädagogischen Stellungnahme und dort, wo es möglich ist, mit der Beschreibung einer Sozialprognose.

Gerichtshilfebericht im Nach- und Gnadenverfahren

Für beide Bereiche gilt, dass im allgemeinen neben der Berichtsgrundlage die persönlichen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Verhältnisse zur Struktur des Berichtes gehören, ebenso Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven.

Überwiegend geht es bei der Berichterstattung in diesem Verfahrensbereich nicht um eine umfassende Berichterstattung wie im Ermittlungs- und Vorverfahren, sondern weitestgehend um die Beschreibung der Lebenslage in einem überschaubaren Zeitraum, ausgehend vom Datum der Beauftragung.

In diesem Verfahrensbereich können wir davon ausgehen, dass über die Berichterstattung die Einleitung sozialer Hilfsmaßnahmen besonders notwendig werden könnte, da etliche Personen auf sich gestellt ihre Probleme nicht lösen und somit in der Gefahr justizieller Sanktionen stehen. In diesen Fällen ist dementsprechendes im Bericht anzuführen.

Die beiden genannten Auftragsfelder (Gerichtshilfeberichte im Vorverfahren bzw. im Nach- und Gnadenverfahren) umschrieben den Einsatzbereich zum Zeitpunkt der gesetzlichen Einführung der Gerichtshilfe im Jahre 1974.

Ende der 70iger Jahre kam eine Expertengruppe aus den USA zurück mit Erkenntnissen, die darauf hindeuteten, dass man möglichst zu einem sehr frühen Zeitpunkt gerichtlich festgesetzte Personen daraufhin überprüfen sollte, ob nicht die angeordnete Untersuchungshaft durch weniger einschneidende Maßnahmen zur Sicherung des weiteren Verfahrensablaufs zumindest ausgesetzt werden kann. Hieraus entwickelte sich die

Haftentscheidungshilfe.

Für diesen Aufgabenbereich gilt, dass die Gerichtshilfe beauftragt wird, auf Grund von Angaben eines in U-Haft befindlichen Beschuldigten am Wohnort und mit Personen aus dem sozialen Umfeld zu klären, ob objektiv soziale Bindungen erkennbar vorhanden sind. Diese Berichterstattung begrenzt sich auf Hinweise zur Wohnraumsituation, der familiären Verhältnisse, der Versorgungssituation und der Arbeitsstellenlage.

Ein erster mehrjähriger Probelauf fand in Hamburg statt, in Brandenburg gab es von Seiten des Justizministeriums die Anweisung an die Untersuchungshaftanstalten und die Staatsanwaltschaften, in dem vorgenannten Sinne umgehend die Gerichtshilfe zur Klärung der gestellten Fragen einzusetzen. Aus den anderen Bundesländern lässt sich zu diesem Aufgabenbereich über Einzelbeauftragungen hinaus nichts Weiteres berichten.

Täter-Opfer-Ausgleich (TOA)

Die Beauftragung im Rahmen einer zu prüfenden Konfliktregelungsmöglichkeit setzt immer nach der Kontaktaufnahme mit den Konfliktbeteiligten zuerst Einzelgespräche voraus.

Dort, wo ein TOA nicht in Form eines gemeinsamen Regelungsgespräches möglich erscheint, ist die Konfliktregelung durch mehrere Einzelgespräche und die Weitergabe von Zwischenergebnissen aus den Gesprächen mit der jeweiligen Gegenseite einzubringen. Als Ergebnis kann gleichfalls ein allseits getragener TOA zustande kommen.

Auch in diesem Teilarbeitsbereich der Gerichtshilfe gilt, dass – über das jeweilige Ergebnis hinaus – Hinweise für die Entscheidungsfindung und Art dem Auftraggeber schriftlich vorgelegt werden sollten.

Der TOA wurde aktiv durch die Arbeitsgemeinschaft Deutsche Gerichtshilfe e.V. (ADG) im Jahre 1980/81 als theoretische Idee auf- und eingebracht, musste anfänglich gegen deutliche Widerstände aus den Reihen der Bewährungshilfe weiter vorangetrieben werden, wobei wir sehr interessierte Juristen/Kriminologen zur Erarbeitung eines umfassenden Konzeptes gewinnen konnten, so dass im Rahmen der Mitarbeit bei der Deutschen Bewährungshilfe e.V. (DBH) beim Juristentag 1984 in Hamburg ein Durchbruch möglich wurde. Noch im gleichen Jahr begannen an einigen wenigen Orten in der Bundesrepublik (u.a. bei der Gerichtshilfe der Staatsanwaltschaft Tübingen) Erprobungsreihen.

Die Konfliktregelungsarbeit (TOA) ist in einigen Bundesländern integraler Bestandteil der Gerichtshilfetätigkeit, in anderen Bundesländern innerhalb des einheitlichen Sozialen Dienstes als eigenständige Säule organisiert und wird in Schleswig-Holstein in den einzelnen LG-Bezirken in unterschiedlichen Organisationsvarianten umgesetzt. Das Justizministerium Schleswig-Holstein hat die Gerichtshelfer zu Konfliktreglern ausbilden lassen.

Gemeinnützige Arbeit

Dieser Arbeitsbereich erfordert die Organisation und Arbeitsabstimmung mit den Fachleuten der Vollstreckung und der Einsatzstellen. Die Betroffenen sind verurteilte Straftäter, die entweder ihre Geldstrafe nicht beibringen können oder im Rahmen eines Bewährungsbeschlusses die Auflage erhielten, gemeinnützige Arbeit zu leisten. Ausgangspunkt ist hier zuerst immer die Kontaktaufnahme mit der verurteilten Person, wobei diese aktiv an der Umsetzung der Maßnahme durch Kontaktaufnahme, -haltung, Einsatzstellensuche und Leistungserbringung mitzuwirken hat.

Der Antragsteller (Verurteilter) erhält fachliche Hilfestellung, ist jedoch für die Einleitung und Umsetzung weitestgehend eigenverantwortlich. Sozialarbeiterische Eingriffe und Hilfen sollen nachrangig und nur dort eingesetzt werden, wo offenkundig die Verurteilten mit der Organisation dieser Maßnahme überfordert sind. Eine Klärung der Situation ist durch das anzustrebende Eingangsgespräch zu erleichtern.

Für dieses Teilarbeitsgebiet gibt es – nicht nur – in Schleswig-Holstein unterschiedliche organisatorische Bedingungen. Im Rahmen des „outsourcing“ wird dieser Arbeitsbereich an nicht justizielle Stellen, vorrangig soziale Einrichtungen der freien Wohlfahrtsverbände, vergeben. Verbleibt bisher die Umsetzung im Bereich der Justiz, so geschieht dieses bundesweit zum Teil mit Hilfe von Sozialarbeit (Gerichtshilfe, Bewährungshilfe) oder umfassend durch Rechtspfleger und in anderen Fällen durch sogenannte justiznahe Vereine (Bewährungshilfe-, Straffälligenhilfevereine).

Vorstellbar, jedoch bislang nicht genutzt, wären modellhafte Erprobungen durch kommunale Stellen. Da insbesondere die Sozialämter u.a. Sozialhilfeempfänger für soziale Arbeitsmaßnahmen einsetzen, wäre ein derartiger Probelauf, um weitere Erkenntnisse zu sammeln, vorstellbar (ist in der Diskussion). In diesem Bereich fällt ein hoher Anteil verwaltungsmäßiger, administrativer Aufgaben an, weshalb in einigen Bundesländern bewusst die Sozialarbeit mit ihren fachlichen Fähigkeiten nicht beigezogen wird, um nicht Arbeitskapazitäten/-zeiten für diese Aufgaben zu sehr zu binden.

Opferberichterstattung

In der Opferberichterstattung geht es nicht um Belege für die Glaubwürdigkeit der Peron, sondern um die Darstellung der aktuellen Lebenssituation, ob es eine Beziehung des Täters mit dem Opfer gab, wie diese Beziehung sich gestaltete und wie das Opfer den Täter einschätzt. Es können ergänzende Angaben zur erlebten Straftat eingeführt werden, jedoch stehen Beschreibungen über die Auswirkungen der erlittenen Straftat im Vordergrund. Hinzu kommen Hinweise, ob in der Zwischenzeit fachliche Hilfen notwendig wurden bzw. derartige Maßnahmen aktiv in Gang zu setzen sind. Des weiteren erfolgt die Darstellung wie das soziale Umfeld auf das Opfer reagiert, ob Beeinflussungen stattfinden oder gar Druck ausgeübt wird. Wie groß sind die eventuellen Ängste vor der Hauptverhandlung, der Anwesenheit des Beschuldigten und nicht zuletzt welch ein sprachliches Ausdrucksvermögen ist vorhanden. Im Bericht kann schon die Staatsanwaltschaft Informationen über die Persönlichkeit, Aussagefähigkeit, individuelle Begabung, Wahrnehmungsfähigkeit und Auswirkungen der Tat für das Opfer erlangen.

Mit diesen Informationen kann versucht werden, die Belastungen für das Opfer möglichst gering zu halten. Es ergeben sich Hinweise für die Anwendung der Fragetechnik vor Gericht und es können schon im Vorfeld Assoziationen mit amerikanischen Gerichtsszenen, in denen Zeugen ins Kreuzverhör genommen werden, berichtigt werden. Staatsanwalt und Richter können somit die für den Verletzten aus dem Verfahren entstehenden Belastungen möglichst gering halten und die Opferbelange im Strafverfahren angemessen berücksichtigen. Hinzu kommt, dass nach der Vernehmung bei der Polizei schon zum Zeitpunkt des weiteren Ermittlungsverfahrens ein weiteres Angebot für Hilfestellungen erkannt und abgegeben werden kann. Auch hier gilt der Grundsatz, dass die Gerichtshilfe keine längerfristigen Betreuungsangebote abzugeben hat, sondern dass bei Erkennung einer Betreuungs- oder Therapienotwendigkeit mit der betroffenen Person/den Angehörigen herausgefunden wird, ob und welche Institution helfen soll/kann, damit hierdurch gleichzeitig schon für den Zeitpunkt der Ladung zum Hauptverhandlungstermin eine Person des Vertrauens zur Begleitung und Hilfestellung vor Gericht gefunden werden kann. Dieses ist nicht zu verwechseln mit der Aufgabe und Suche nach einem Opferanwalt. Näheres und Ausführlicheres zu diesem Thema ergibt sich aus der Arbeitstagung am Nachmittag.

Qualitätssicherung

Ein professionelles Selbstverständnis wird über arbeitsfeldorientierte Fortbildungsveranstaltungen und über die Supervision aufgebaut. Dieses gilt für die Sozialarbeit generell. Gerade aber die Gerichtshilfe muß klarer als bisher tätigkeitsfeldspezifisch definiert und in eine konkrete Arbeitsfeldkonzeption gefasst werden. Hierzu gehört neben einer Beschreibung „Tätigkeitsfeld Gerichtshilfe“ (Leitbild) eine Festlegung der Arbeitsweisen und Methoden, damit über den einzelnen Mitarbeiter hinaus sowohl für die im Fachbereich Tätigen wie für andere Fachleute dieses Tätigkeitsfeld in seiner Arbeit und der Zielsetzung erfassbarer wird.

Der entscheidende Schritt hierfür war z.B. für die Gerichtshilfe in Baden-Württemberg die Langzeitfortbildung über methodische Erhebungskriterien, die konzeptionelle Vorarbeit und Fassung tätigkeitsfeldspezifischer Standards, so dass Grundsätze für ein berufliches Selbstverständnis, für gemeinsame Berufspositionen, Grundlagen für eine Profilbildung und Kriterien einer beruflichen Selbstkontrolle vorhanden sind. Anstelle individualistischer Theorieebenen (in der sich die einzelnen Beschäftigten die Methode ihrer Wahl aussuchen können) ist eine tätigkeitsfeldspezifische Konzeption für eine Qualitätssicherung hiermit erreichbar. Die Absicherung erfolgt im Zusammenwirken zwischen dem Fachministerium, den personalführenden Stellen, den Generalstaatsanwaltschaften und den Fachleuten des Tätigkeitsfeldes durch Einhaltung des Konzeptes und der Standards.

Ist eine derartige Grundlage vorhanden, kann es nicht zu deutlich widersprüchlichen Darstellungen kommen. In einem Papier einer Fachhochschule finden wir unter dem Titel  „Professionelle Standards und Ziele in der Gerichtshilfearbeit“ u.a. die Zielvorstellung, Freiheitsentzug zu vermeiden, und hieraus die Ableitung, dass Anregungen eines Bewährungswiderrufs oder die Fortdauer der Untersuchungshaft in der Regel auszuschließen sind. Im direkten Zusammenhang gibt man den Hinweis, dass professionelles Handeln Konsequenz und Glaubwürdigkeit erfordern und die Pflicht zum umfassenden objektiven Bericht notwendig macht.

In diesem Widerspruch befinden sich insbesondere Berufsanfänger. Spätestens bei den Bewerbungsgesprächen gilt es, klar auf die Möglichkeiten und Grenzen des Tätigkeitsfeldes zu verweisen und auf die im Referat erörterten Eckpunkte für eine Gerichtshilfearbeit unmissverständlich hinzuweisen. In allen generalistisch ausgerichteten Studiengängen ist den Absolventen der Unterschied zwischen den einzelnen Einsatzfeldern erkennbar und wo dieses nicht der Fall ist, wird dieses durch praktische Einübungen und Erprobungen deutlich. Dieses geschieht noch in einer Ausbildungsphase und nicht erst nach der Einstellung.

Leitbild

Das Leitbild beschreibt eine realistische Idealvorstellung. Es ist keine Ist-Beschreibung, sondern ein Soll-Bild, das die Richtung aufzeigt, in der derTätigkeitsbereich zielorientiert weiter zu entwickeln ist. Insoweit ist das Leitbild die Grundlage für ein Umsetzungsprogramm. Das Leitbild ist notwendig, um den Prozess der Fachlichkeit und Fortentwicklung zu steuern. So heißt es u.a. sinngemäß, dass nur, wer die Richtung kennt, den richtigen Weg beschreiben kann. In den öffentlichen Verwaltungen beschäftigt man sich in den letzten Jahren zunehmend deutlicher mit dem Sinn und Zweck des Leitbildes, dem Aufbau, der Entwicklung und der Umsetzung des Leitbildes. Eingangs findet man eine Präambel und Beschreibungen, dass öffentliche Verwaltungen sich deutlicher als bisher „als Dienstleister sehen und strukturieren wollen“.  Begriffe wie „Akzeptanz, Qualität, Delegation, gemeinsame Zielfestlegung, Informationsaustausch, Förderung der Mitarbeiter und die kollegiale Zusammenarbeit“ spielen dort eine wichtige Rolle. Dennoch ist man nunmehr erst am Anfang einer derartigen Entwicklung.

Ein Leitbild für Berufe oder Tätigkeitsfelder kann man nicht ohne weiteres wechseln. Leitbilder sind so etwas wie eine Außendarstellung, damit die Fremdwahrnehmung stimmt. Bei der Gerichtshilfe gehört hierzu die strikte Befolgung, dass dieser Sozialdienst seine Qualitäten in der anamnestisch-diagnostisch-prognostischen Arbeit hat und die dort Tätigen somit zwar erste soziale Hilfen einleiten, aber auf Betreuungsarbeit verzichten. Betreuungsarbeit bedeutet automatisch eine parteiliche Arbeit.

Aus dieser vorgegebenen Grundannahme der Justiz hat die Gerichtshilfe / Arbeitsgemeinschaft Deutsche Gerichtshilfe e.V. wichtige Themen wie den TOA entwickelt, indem sich die Grundthesen unserer speziellen Arbeit wie Neutralität und Überparteilichkeit widerspiegeln.

Mit den Menschen mitempfinden und Gefühle für ihre Lage einzubringen darf nicht mit der Aufgabe dieser Grundsätze verwechselt werden. Hierzu gehört der Hinweis, dass es bis in die Gegenwart Personen gibt, die behaupten, wir würden eine täterorientierte Arbeit betreiben. Bei dieser Aussage wird übersehen, dass die gesamte Arbeit von Polizei, Justiz und Sozialarbeit im Straffälligenbereich nur dadurch existent ist, dass es Beschuldigte (Täter) gibt, dieses der Ausgangspunkt jedweder Arbeit ist, ohne dass dieses als Beleg für eine täterorientierte Arbeit gilt.

Täterorientierte Arbeit ist unstrittig die Sozialarbeit in der Bewährungshilfe, deren Handeln auf die Täterpersönlichkeit abgestimmt ist, während wir im klassischen Gerichtshilfesinn über die Täterpersönlichkeit anderen Fachleuten berichten sollen. Wenn im Zusammenhang mit Straftaten, Beschuldigten und den Sozialen Diensten von einer Täterorientierung gesprochen wird, so unterstellen viele ungeprüft, dass die Gerichtshilfe an der Seite des Täters stehe bzw. stehen müsse, manche unterstellen sogar eine unreflektierte Übernahme der Tätersicht.

Hierbei wird neuerlich deutlich wie wenig sich derartige Verbreiter von Thesen mit den Aufgaben und Zielen der Gerichtshilfe befasst haben. Gerade dadurch, dass wir nicht täterorientiert festgelegt sind, ermöglichte uns die Entwicklung des TOA aus der Gerichtshilfe heraus und nunmehr auch die Überlegungen zur Verbesserung eines Opferschutzes, in dem im letzteren Bereich sehr bewusst die betreuenden Elemente auf dafür vorhandene Institutionen/Fachleute übergeleitet werden.

Warum ist diese Darstellung von Bedeutung?

Wenn die Gerichtshilfe langfristig ihren akzeptierten und nicht nur tolerierten Platz in der Strafgerichtsbarkeit finden will, gibt es Grundsätze, die wir klar herausarbeiten, nach außen darstellen und nicht selbst in Zweifel zu ziehen haben. Hierzu gehört auch eine klare Äußerung, wenn jemand von der Gerichtshilfe als eine täterorientierte Institution spricht, sowie die Selbstbeschränkung des Tätigkeitsfeldes in Sachen Betreuungsarbeit.

Begriffsbestimmungen / Klärung und Hinweise

Es gilt deutlicher als bisher herauszustellen, dass wir bei der generalistischen Ausbildung der Studenten für Sozialarbeit/Sozialpädagogik davon ausgehen müssen, dass wesentliche Wissenslücken für die Arbeit mit Straffälligen bei Berufsbeginn bestehen. Diese Aussage ist in ihrer Gültigkeit auch dann von Bestand, wenn es eine, möglicherweise auch mehrere Fachhochschulen bzw. andere Ausbildungsstätten geben sollte, die Vertiefungsgebiete im Bereich der sozialen Strafrechtspflege anbieten bzw. künftig anbieten. Aus dem Dargestellten folgt, dass die Justizministerien der Länder Forderungen an die Ausbildungsträger stellen müssten, um ein Mehr an Grundlagen für die Arbeit mit Straffälligen zu erreichen. Andere potenzielle Anstellungsträger wie z.B. die freie Wohlfahrtspflege und die kommunalen Behörden machen hiervon deutlicher Gebrauch.

Wir sollten bewusst zur Kenntnis nehmen, dass die Sozialarbeiter/Sozialpädagogen diejenige Berufsgruppe sind, die im Gegensatz zu den anderen Bediensteten der Justiz nicht gezielt auf ihre Tätigkeit und Zielsetzung in der Strafjustiz vorbereitet/ausgebildet werden.

Rechtspfleger, Geschäftsstellenbeamte und Amtsanwälte werden durch die Justiz ausgebildet. Die Juristen erhalten nach dem Universitätsstudium eine praktische, breit angelegte Ausbildung durch die Landesjustizverwaltungen. Nach dem Zweiten Staatsexamen und einer Einstellung als Assessoren erfahren die Juristen weiterhin eine praktische Einführung und Anleitung in den Arbeitsfeldern.

Es bietet  sich deshalb nach der Einstellung neuer Mitarbeiter (dieses nicht nur für die Gerichtshilfe) eine Einschulung an, die die Erfordernisse in der Justiz klar erkennbar machen. Mehr als zweifelhaft wäre ein von der Justiz abgekoppeltes Verhalten und die entsprechenden Vorgehensweisen anzuwenden. Wenn derartiges geschieht, ist ein fachübergreifendes Zusammenarbeiten gefährdet. Es gilt ebenso für die Gerichtshilfe darauf hinzuweisen, dass bestimmte Zielaussagen für die Arbeit der Sozialen Dienste der Justiz nicht generell für dieses Tätigkeitsfeld zutreffen. Die Zielaussage der Mitwirkung an der Resozialisierung kann für die Gerichtshilfe pauschal nicht stimmen. Der Ansatz für die Gerichtshilfearbeit lautet: die Entwicklung, die Umwelt des Beschuldigten, mögliche Entwicklungsschwierigkeiten, die sozialen Kontakte, die konkrete Lebenssituation zu erforschen und hierbei ein möglichst objektives Bild den Auftraggebern (Staatsanwälten, Richtern) zu vermitteln.

Schon durch diese Beschreibung wird deutlich dass nur auf Grund des Einzelfalles feststeht, bei welchen Personen durch die Gerichtshilfetätigkeit der Ansatz für Resozialisierungsmaßnahmen gesetzt werden kann. Auch gilt es neuerlich, die Pflicht zum umfassenden objektiven Bericht zu erwähnen. In der Praxis führt unsere Arbeit zu zielgenaueren Ergebnissen der Strafjuristen und in den meisten Fällen durchaus zu Bemühungen/Hilfsmaßnahmen, die weitere strafrechtliche Auffälligkeiten verhindern sollen.

Von wesentlicher Bedeutung ist die Einbindung der Gerichtshilfe in den Justizablauf, das Betonen von Gemeinsamkeiten, die Überwindung isolierter Handlungen, die erst gemeinsame Konzepte mit unterschiedlichen Partnern ermöglichen. Hierzu gehört im Wesentlichen das Erkennen und hieraus das entsprechende Handeln durch die Beauftragung der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren. Wer diesen Fachdienst erst nach Fertigung der Anklageschrift beizieht, verkennt den Ansatz des Gesetzgebers und beraubt sich darüber hinaus der Erkenntnisse, die man über die Straftat hinaus für die Resozialisierungsbedürftigkeit vor der staatsanwaltschaftlichen Endverfügung haben sollte/könnte.

Gerade die betont unterschiedlichen Denk- und Arbeitsansätze der Juristen und Sozialarbeiter bereiten nicht nur überwindbare Probleme, sie können messbar zu einem Mehr an Erkenntnissen führen. Sozialarbeiter sind dafür ausgebildet, mit Menschen zu arbeiten, die sich u.a. auf Grund eines anderen beruflichen Hintergrundes (durch andere Erfahrungen, Kenntnisse, Werte, Ziele und Fähigkeiten) unterscheiden. Sozialarbeiter erfahren in ihrer Arbeit nicht nur, dass diese Unterschiede zu Konflikten führen, sondern dass sie wiederum als Ressourcen zur Konfliktlösung genutzt werden können. So betrachtet stellt das spezifisch andere Denken und Arbeiten anderer Fachleute nicht nur ein lästiges Hindernis, sondern eine wertvolle Bereicherung dar. Hinzu kommt, dass Sozialarbeiter, die sich bewusst mit diesen Dingen und den Differenzen zu Psychiatern, Verwaltungs- und Gerichtsjuristen auseinandersetzen, weniger Gefahr laufen, sich mit ihren Klienten unreflektiert zu identifizieren.

Schlussfolgerung

Diese Festveranstaltung ist aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums der Einrichtung der Gerichtshilfe geplant worden. In den zurückliegenden Jahren kam es an den meisten Orten nur zögerlich zu einer direkten, verstärkten und persönlichen Zusammenarbeit von Staatsanwälten und Richtern. Dieses ist nicht nur auf die jeweiligen Arbeitsbedingungen zurückzuführen, sondern hängt mit einem Bündel von höchst unterschiedlichen Gründen zusammen. Gerade deshalb muss man an den einzelnen Standorten die dortige Situation erfassen und hieraus Erkenntnisse ziehen, die eine Verbesserung der gegenwärtigen Lage zulassen.

Mein Vortrag sollte Ihnen Hinweise geben, die über das Bisherige hinaus ein Aufeinanderzugehen mit dem Ziel der engeren Zusammenarbeit ermöglichen. Derartiges kann auch durch profane Schritte nachhaltig unterstützt werden. Solange die Gerichtshilfe entfernt von den Dezernenten der Ermittlungsabteilungen räumlich angesiedelt ist, wird eine wichtige Voraussetzung, die ständig mögliche Kommunikation, erschwert oder praktisch unmöglich gemacht. Gerade aber in dieser Richtung ist ein wesentlicher Ansatz der Zusammenarbeit und damit für die fachliche Einbindung der Gerichtshilfe durch die Staatsanwälte zu erreichen.

Es ist u.E. von erkennbarer Bedeutung, wenn der Generalstaatsanwalt des Landes Schleswig-Holstein deutlich und nachhaltig auf eine stärkere Beiziehung der Gerichtshilfe im Ermittlungs- und Vorverfahren verweist und hierdurch die notwendigen Absicherungen anordnet. Es wäre aus unserer Sicht wünschenswert, ja sogar unumgänglich notwendig, wenn sich die Dezernenten der Staatsanwaltschaften darüber im Klaren wären, dass die Gerichtshilfe vorrangig ihr Sozialdienst ist und sie als Sachbearbeiter besonders von der Tätigkeit der Gerichtshilfe profitieren werden. Das am Nachmittag folgende Thema (und dort insbesondere die Opferberichterstattung) zeigt deutlich, was gemeinsam erreichbar ist.

Rainer-Dieter Hering (Präsident)

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