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Opferberichterstattung im Strafverfahren

Dieser Aufsatz ist in der Neuen Strafrechtszeitung veröffentlicht worden

Staatsanwälte Rotraud Hölscher und Dr. Thomas Trück, Oberamtsrat a. D. Rainer- Dieter Hering, Tübingen

Der Bundesgerichtshof hat sich jüngst mit der Stellung der Gerichtshilfe im Strafver- fahren gegen erwachsene Straftäter auseinandergesetzt1. Hierbei hatte er sich – soweit ersichtlich erstmals – auch mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Opferberichterstattung zulässig ist und auf welchem Wege die dabei gewonnenen Erkenntnisse in die Hauptverhandlung eingeführt werden. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Gerichtshilfe nicht darauf beschränkt ist, die persönlichen Verhältnisse und das soziale Umfeld des Beschuldigten aufzuklären. Vielmehr kann sie auch zu anderen Aufgaben herangezogen werden, soweit es erforderlich ist, auf die spezifischen beruflichen Fähigkeiten der Sozialarbeit zurückzugreifen, insbesondere auch zur Berichterstattung über körperliche und psychische Folgen von Straftaten bei Tat- opfern2. Dies stellt einen weiteren wichtigen Schritt dar, die Stellung des Opfers im Strafverfahren zu stärken. Der Beitrag setzt sich mit den strafprozessualen Grundlagen der Entscheidung sowie ihrer Bedeutung für die Praxis auseinander und will anhand der Darlegung von Gegenstand und Ablauf der Opferberichterstattung aufzeigen, wie sie unter angemessener Berücksichtigung des Opferschutzgedankens der Wahrheitsfindung und einer effizienten Verfahrensgestaltung dient.

I. Strafprozessuale Grundlagen

Die grundlegende Norm der Strafprozessordnung, die sich mit der Gerichtshilfe beschäftigt, ist § 160 Abs. 3 StPO3. Zur Bestimmung der für die Rechtsfolgen der Tat bedeutsamen Umstände kann sich die Staatsanwaltschaft nach dieser Vorschrift der Gerichtshilfe bedienen. In Nr. 15 Abs. 1 RiStBV wird auf diese Regelung Bezug genommen. Nr. 15 Abs. 2 und Abs. 3 RiStBV betonen, dass für die Strafmaßbestimmung der durch die Tat dem Opfer entstandene Schaden zu berücksichtigen ist. Besonders hervorgehoben werden die durch Körperverletzungsdelikte hervorgerufenen gesundheitlichen Schäden.

Der Gesetzgeber hat damit Stellung und Aufgaben der Gerichtshilfe im Strafverfahren nur grob umrissen. Eine Opferberichterstattung wurde dabei nicht ausdrücklich erwähnt. Vor dem Hintergrund des insoweit offenen Wortlauts wird das Tätigkeitsgebiet der Gerichtshilfe in Anlehnung an die Regelungen zur Jugendgerichtshilfe in erster Linie in der Täterberichterstattung gesehen. Vom Wortlaut des § 160 Abs. 3 StPO ist dies jedoch nicht vorgegeben. Er bezieht deren Inanspruchnahme als Ermittlungsorgan nicht auf die Person, deren Verhältnisse es aufzuklären gilt, sondern auf die Materie der Erkenntnisgewinnung. Ihre Hinzuziehung erscheint besonders dann sinnvoll, wenn es um die deutlich in die soziale Gemeinschaft hineinreichenden und von dieser geprägten Umstände der Tatfolgenbewertung geht. Gerade bei den tatauslösenden, tatbegleitenden und tatnachfolgenden Beziehungen zwischen Opfer und Täter, aber auch in den körperlichen und psychischen Folgen für das Tatopfer, zeigt sich die Nutzbarmachung der sozialarbeiterischen Qualifikation. Um die Rechtsfolgenseite der Straftat ausgewogen bewerten zu können, gibt demnach die gesetzliche Regelung durch ihre Sachbezogenheit vor, auch die Opferseite angemessen zu beleuchten.

Gleichzeitig bringt § 160 Abs. 3 StPO indessen nicht zum Ausdruck, dass sich das Aufgabengebiet der Gerichtshilfe ausschließlich auf die Ermittlung derjenigen Umstände erstreckt, die rechtsfolgenrelevant sind. Der Gesetzgeber wollte mit der Ausgestaltung der Norm keine Exklusivität der gesetzlich ausdrücklich zugeschriebenen Kompetenzen und Ausschluss anderweitiger Aufgabenstellungen vorgeben. § 160 Abs. 3 S. 2 StPO stellt vielmehr eine eher deklaratorische Anerkennung der Institution als solcher dar, um die Möglichkeit für deren weiteren Ausbau zu schaffen. Die Gerichtshilfe kann neben den explizit genannten auch durchaus zu anderen Aufgaben herangezogen werden. Im Vordergrund steht die Fruchtbarmachung der spezifisch beruflichen Fähigkeit der Sozialarbeit für die Aufgabe strafprozessualer Entscheidungsfindung. Diese Zielvorgabe erfasst die Gewinnung fundierter Erkenntnisse über die persönlichen Verhältnisse und das soziale Umfeld des Tatopfers nicht nur, was die Rechtsfolgenbemessung anbelangt, sondern auch soweit Fragen der Verfahrensgestaltung betroffen sind.

Im Übrigen ist es schon im Erfordernis einer neutralen Berichterstattung angelegt, die Geschädigtenseite zuverlässig abzuklären. Hierbei ist es in sachlicher Hinsicht nicht möglich, eine eindeutige Trennungslinie zwischen rechtsfolgenbezogenen Informationen und solchen zu ziehen, die dies nicht sind. Zudem bestünde die Gefahr einer bruchstückhaften, in sich nicht mehr geschlossenen Darstellung, die dem Aufklärungszweck zuwider laufen würde. Im Hinblick darauf wird durch § 160 Abs. 3 StPO nicht ausgeschlossen, opferbezogene Informationen auch für die Klärung von Fragen nutzbar zu machen, die nicht (ausschließlich) strafzumessungsrelevant sind.

Die Zulässigkeit der Opferberichterstattung ergibt sich schließlich aus systematischen Erwägungen vor dem Hintergrund der Aufklärungspflicht der Staatsanwalt- schaft gemäß § 160 Abs. 1 StPO und des Gerichts gemäß § 244 Abs. 2 StPO. Die Strafverfolgungsbehörden und das erkennende Gericht sind bei Konflikt- und Beziehungstaten sowie solchen im familiären Bereich gehalten, die Umstände der Tat und die Aussageentstehung umfassend aufzuklären. Dies geschieht durch Umfeldzeugen. Deren Schilderungen stehen allerdings häufig unter dem Vorbehalt einer persönlichen Verbundenheit mit einem der Prozessbeteiligten. Eine sachliche Entscheidungsgrundlage können sie daher nur bei behutsamer Würdigung bilden. Wenn deren Inanspruchnahme gleichwohl prozessual zulässig und im Hinblick auf die Sachaufklärung sogar geboten ist, so muss dies erst recht für den Gerichtshelfer gelten, der die entsprechenden Gesichtspunkte vermittelt. Vor dem Hintergrund seines neutralen Auftrages und seiner Erfassung mit dem geschulten Blick des Sozialarbeiters bietet seine Berichterstattung die zuverlässigere Grundlage im Interesse der Wahrheitsfindung.

II. Umsetzung der mittels Opferbericht erlangten Erkenntnisse im Strafverfahren

Die Opferberichterstattung bietet eine wertvolle Entscheidungsgrundlage für das gesamte Strafverfahren. Die Auftragserteilung an die Gerichtshilfe kann daher während des Ermittlungsverfahrens, wie dies schon § 160 Abs. 3 S. 2 StPO klarstellt, durch die Staatsanwaltschaft und nach Anklageerhebung durch das Gericht erfolgen. Ob der Auftrag dabei in einem möglichst frühen Stadium des Verfahrens zu erteilen ist oder in einem bereits fortgeschrittenen, wenn sich entsprechende Anhaltspunkte für die Notwendigkeit ergeben, hängt von der Schwerpunktsetzung des jeweiligen Auftrags ab. Folgende Aufgabenstellungen stehen dabei im Vordergrund:

1. In jedem Stadium des Verfahrens sollen die Staatsanwaltschaft und das Gericht gemäß § 155 a S. 1 StPO prüfen, ob ein Täter-Opfer-Ausgleich in Betracht kommt. In geeigneten Fällen haben sie sogar gemäß § 155 a S. 2 StPO die Aufgabe, hierauf hinzuwirken. Tatkonstellationen, die Anlass zu entsprechender Prüfung geben können, sind – je nach Schweregrad – Gewalt- und Sexualdelikte im sozialen Nahraum. Hier wird es sich regelmäßig anbieten, bereits frühzeitig im Ermittlungsverfahren eine sachkundige Erfassung der Opfersituation herbeizuführen. In der praktischen Durchführung zeigte sich, dass durch die tatzeitnahe Einschaltung der Gerichtshilfe in derartigen Konfliktfällen neben der Abklärung, ob die geeignete Grundlage für einen Täter-Opfer-Ausgleich gegeben ist, zugleich eine erfolgreiche Deeskalation der Verhältnisse und Krisenintervention erreicht werden kann. Durch die gezielte und hervorgehobene Einbindung auch der Geschädigtenseite können dem Täter die Folgen seines Tuns vor Augen gehalten werden. Dies bietet häufig die Chance, straftatförderliche Strukturen präventiv wirksam aufzulösen, indem Einsicht und möglicherweise Bereitschaft zur Teilnahme an einem Anti-Gewalt-Training geweckt wird. Andererseits kann sich bei Fällen mit weniger gravierenden Übergriffen ein Beitrag zu einer effizienten Verfahrenserledigung über §§ 155 b, 153 a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StPO mit geeigneten Auflagen ergeben, ohne das soziale Umfeld von Opfer und Täter mit einem Ermittlungs- und nachfolgenden Strafverfahren länger als erforderlich zu belasten.

Gerade in diesem Zusammenhang ist indessen hervorzuheben, dass die Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht schematisch – sei es allgemein oder für bestimmte Tatkonstellationen wie Fälle häuslicher Gewalt – als Zielvorgabe angesetzt werden darf. Gegen den Willen des Opfers ist ein solcher gemäß § 155 a S. 3 StPO ausgeschlossen. Je nach Charakter des im Raum stehenden Deliktes oder Art und Ausmaß der Schädigungen kann sich die Herstellung eines Kontaktes zwischen Täter und Opfer, mithin dessen Mitwirkung an einem kommunikativen Prozess, verbieten. Entsprechende Befindlichkeiten auf Opferseite sind zu respektieren und dürfen nicht übergangen werden. Der Opferbericht fördert sie aus der Sicht eines neutralen Ermittlungsorgans zutage.

Auch wenn es nicht zur Erledigung des Verfahrens in einem anfänglichen Stadium kommt, bietet der Opferbericht vor allem bei Straftaten im sozialen Nahraum eine zuverlässige Erkenntnisquelle für wichtige Weichenstellungen in dessen weiterem Verlauf. Bei familiären Beziehungen zwischen Opfer und Täter lässt sich die Aussagebereitschaft abklären, um gegebenenfalls frühzeitig bei Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO eine richterliche Vernehmung zu veranlassen. Die Beleuchtung der persönlichen Verhältnisse des Geschädigten kann Quellen für Einflussmöglichkeiten und Einflussnahmen durch den Täter aufdecken.

2. Vor allem im Bereich der Sexualdelikte ist häufig die Beweissituation vorzufin- den, bei der Aussage gegen Aussage steht. In diesen Fällen ist es wichtig, gerade wenn Kinder davon betroffen sind, zu ermitteln, ob suggestive Einflüsse bei Aussa- geentstehung und -entwicklung zum Tragen kamen15. Je nach familiärer Situation oder sozialem Umfeld kann es vor dem Hintergrund derartiger Faktoren notwendig werden, eine aussagepsychologische Begutachtung des Opferzeugen zu veranlassen. Für die dabei stattfindende Fehlerquellen- und Kompetenzanalyse spielt die Bewertung entsprechender Einflussquellen eine wichtige Rolle. Entwicklungsdefizite oder psychische Störungen können eine Begutachtung des Opferzeugen ebenfalls erforderlich machen. Je nach Reifegrad des Zeugen kann für die Aussagebeurteilung eine fundierte Sexualanamnese entweder nötig sein – so vor allem bei Kindern – oder eine mit dessen Subjektstellung im Verfahren nicht zu vereinbarende Ausforschung darstellen. Für die tragfähige Feststellung dieser Gesichtspunkte ist eine Berichterstattung über die persönlichen Verhältnisse und das soziale Umfeld des Opfers mit der besonderen Befähigung des Sozialarbeiters oft unerlässlich. Sie schafft die notwendige Grundlage für die fundierte Beweiswürdigung. Außerdem ermöglicht sie sachgerechte Entscheidungen über die Vergabe von Gutachteraufträgen, Auswahl des Sachverständigen im Hinblick auf dessen Fachgebiet und Entscheidung über Beweisanträge. Sie unterstützt zudem die Tätigkeit des Sachverständigen. Denn im Gegensatz zu diesem hat die Gerichtshilfe regelmäßig die Möglichkeit, die entsprechenden Erkenntnisse vor Ort zu erheben, was deren Verlässlichkeit steigert.

3. Durch die höchstrichterliche Rechtsprechung wird die Einhaltung des in Artikel 6 Abs. 3 d MRK niedergelegten Konfrontationsrechts zunehmend betont. Hiermit einher geht die Problematik für das Tatopfer, im Verlaufe des Strafverfahrens erneut mit dem mutmaßlichen Täter konfrontiert zu werden. Je nach erlittenen Schädigungen kann dies eine weitere Traumatisierung nach sich ziehen. Daher sind entsprechende Gefahren in der Opfersituation unter Einschaltung der Gerichtshilfe abzuklären, um gegebenenfalls in der Hauptverhandlung durch Maßnahmen gemäß §§ 247, 247 a StPO eine wiederholte direkte Begegnung mit dem Angeklagten von vornherein zu vermeiden. Auch kann eine Videovernehmung bereits im Ermittlungsverfahren gemäß § 58 a StPO und deren Einführung in die Hauptverhandlung nach § 255 a StPO geboten sein. Der Gerichtshilfebericht gibt dem erkennenden Gericht Anhaltspunkte, frühzeitig entsprechende verfahrensleitende Anordnungen zu treffen. Staatsanwaltschaft und Nebenklägervertreter können auf seiner Grundlage durch sachlich begründete Antragsstellungen darauf hinwirken.

Andererseits stellt die Aussage vor Gericht selbst für kindliche und jugendliche Zeugen nicht notwendigerweise eine Belastung dar. Sie kann auch eine wertvolle Etappe innerhalb des Verarbeitungsprozesses der Tat darstellen. Oftmals wird es von den Geschädigten als wichtig empfunden, vor Gericht eine eigene Darstellung abgeben zu können. Durch den Opferbericht kann die Chance eröffnet werden, dies im Verlaufe des Verfahrens in Anspruch zu nehmen.

4. Im Rahmen der Strafzumessungsentscheidung können verschuldete Folgen der Tat berücksichtigt werden, soweit diese im Wesentlichen erkennbar waren. Dabei sind auch die Auswirkungen von Tötungsdelikten auf die Hinterbliebenen in Betracht zu ziehen. Die realistische Dimension dieser Umstände kann die beruflich geschulte Sichtweise des Sozialarbeiters vermitteln.

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang § 46 a Nr. 1 StGB. Zur Erlangung der dortigen Strafmilderung darf dem Verletzten ein Täter-Opfer-Ausgleich nicht aufgezwungen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt sie nur zur Anwendung, wenn sich dieser auf einen kommunikativen Prozess einlassen und die Leistung des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren kann. Durch die Bedeutung, die hiermit die Haltung des Opfers zur Tat entfaltet, wird keineswegs eine „Machtstellung“ gegenüber dem Täter begründet. Vielmehr zeigt die Praxis, wie mit mehr oder weniger ernst gemeinten Zusicherungen finanzieller Art oftmals erheblicher Druck auf den Verletzten ausgeübt wird, um die Strafmilderungsmöglichkeit des § 46 a Nr. 1 StGB für den Angeklagten in Anspruch nehmen zu können und das Verfahren „schlank“ zu halten. Diese Gefahr ist der Norm, die opferschützende Wirkung ausgerechnet über eine Strafmilderungsvorschrift zu Gunsten des Täters zu erreichen sucht, geradezu immanent, wenn sie nicht in der vom BGH geforderten Weise angewandt wird. Um hier einer Verschiebung des Prozessgleichgewichts zu Lasten des Geschädigten bereits frühzeitig entgegenzuwirken, erweist es sich als hilfreich, über das Instrument der Opferberichterstattung dessen soziales und familiäres Umfeld sowie Art und Weise von Einflussnahmen durch die Beschuldigten-/Angeklagtenseite transparent zu machen.

III. Gestaltung der Opferbefragung und des Opferberichts

Bei der Opferberichterstattung hat die Gerichtshilfe sorgsam darauf zu achten, dass sie im Rahmen dieser Aufgabenerfüllung primär als soziale Ermittlungshilfe der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts tätig wird. Daher steht nicht die sozialhelferische Tätigkeit im Vordergrund, sondern die Verpflichtung, aufgrund objektiver Nachforschungen ein der Wahrheit entsprechendes Bild der Persönlichkeit und des sozialen Umfeldes des Verletzten zu vermitteln. Für eine fundierte Erfassung dieser Umstände ist es regelmäßig angezeigt, sofern das Tatopfer dem nicht widerspricht, dieses in seiner gewohnten Umgebung aufzusuchen. Auch bei den Umfeldermittlungen erweisen sich Hausbesuche als hilfreich. Dabei sind Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte zu berücksichtigen und befragte Personen hierüber zu belehren. Eine Anhörung zum eigentlichen Tatgeschehen findet im Hinblick auf die Aufgabenstellung nicht statt.

Das Ergebnis seiner Feststellungen hat der Gerichtshelfer in Form eines schriftlichen Berichtes in einer objektiven und geordneten Darstellung zusammenzufassen. Dieser sollte einen beschreibenden und einen bewertenden Teil enthalten. Folgende Gliederungspunkte haben sich als sachgerecht erwiesen:

  • Berichtsgrundlagen: Rahmen des Gesprächs und Belehrungen.
  • Beziehung zum Täter: familiäre oder sonstige soziale Bindungen zwischen Opfer und Täter; tatbedingende Faktoren; Beeinflussung der Lebensumstände des Geschädigten durch Verhaltensweisen oder weiterbestehende Kontakte des Täters oder diesem nahestehender Personen.
  • Lebenssituation des Verletzten: körperliche und psychische Schädigungen durch die Tat; Krankenhausaufenthalte; Notwendigkeit von Behandlungen oder fachtherapeutischer Hilfe; Reaktion des sozialen Umfelds des Verletzten auf die Tat und dessen eigener Umgang mit dem Geschehen (Selbstzweifel oder Selbstvorwürfe).
  • Der Verletzte als Zeuge: Aussagebereitschaft des Opfers; mögliche Probleme für eine Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung bei einer Konfrontation mit dem Angeklagten; eventuelle Einflussnahmen auf das Aussageverhalten.
  • Zusammenfassende Stellungnahme: Beschreibung des Gesprächsverlaufes und -verhaltens; Ausdrucksfähigkeit; Auffälligkeiten in Person und derzeitiger Situation des Tatopfers; anamnestische Erhebungen zu Belastung einer Aussage in Anwesenheit des Angeklagten; Notwendigkeit einer Prozessbegleitung; Aussagebereitschaft zeugnisverweigerungsberechtigter Verletzter in der Hauptverhandlung; Auswirkungen der Straftat auf die weitere Lebensführung des Opfers.

IV. Einführung der Erkenntnisse aus der Opferberichterstattung in die Hauptverhandlung

Die teilweise vorgeschlagene Vernehmung des Gerichtshelfers als sachverständiger Zeuge gemäß § 85 StPO wird regelmäßig nicht in Betracht kommen. Ein sachkundiger Zeuge ist nur eine solche Person, die über Wahrnehmungen berichtet, die sie ohne behördlichen Auftrag mit besonderer Sachkunde gemacht hat. Der Gerichtshelfer wird im Rahmen der Opferberichterstattung jedoch gerade aufgrund eines Auftrags seitens der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts tätig. Er ist daher als Zeuge oder Sachverständiger zu vernehmen. Welche Prozessrolle er dabei einnimmt, richtet sich nach dem Schwergewicht seiner Ausführungen. Hinsichtlich des feststellenden Teils seiner Berichterstattung zu den persönlichen Verhältnissen und dem sozialen Umfeld des Tatopfers ist er – auch wenn seine Wahrnehmungen auf der besonderen beruflichen Qualifikation der sozialen Dienste beruhen – Zeuge. Hinsichtlich des bewertenden Teils sagt er dagegen als Sachverständiger aus. Sinnvoll wird daher eine Belehrung sowohl als Zeuge als auch als Sachverständiger sein. Zu beachten ist, dass Befragungen durch den Gerichtshelfer von § 252 StPO erfasst werden. Was ein zeugnisverweigerungsberechtigter Verletzter ihm gegenüber äußert, darf nicht verwertet werden, wenn dieser sich in der Hauptverhandlung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und der Verwertung der früher gemachten Angaben nicht zustimmt. Da der schriftliche Opferbericht lediglich die verkörperte Äußerung des jeweils beauftragten Gerichtshelfers darstellt, kommt dessen förmliche Verlesung nach §§ 256 Abs. 1 Nr. 1 a oder Nr. 5, 249 StPO nicht in Betracht. Er kann aber durch Vorhalte an die befragten Personen oder durch Verlesung gemäß § 251 Abs. 1 StPO, insbesondere nach der dortigen Nr. 141, in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

Durch die Opferberichterstattung in der Hauptverhandlung kann neben der Stärkung der Rolle des Verletzten als Subjekt des Verfahrens wesentlich zum Opferschutz beigetragen werden. Besonders bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder (sonstigen) schweren Gewaltdelikten ist die Aussage des Tatopfers in der Hauptverhandlung mitunter mit erheblichen Belastungen verbunden. In derartigen Fällen kann es sich als sachgerecht erweisen, eine Zeugenaussage durch Herbeiführung einer Verständigung auf Grundlage geständiger Einlassung des Angeklagten zu vermeiden. Auch bei einer Urteilsabsprache ist jedoch das abgelegte Geständnis auf seine Zuverlässigkeit hin zu überprüfen. Ferner muss die verhängte Strafe schuldangemessen sein und darf sich – auch nach unten – nicht von ihrer Bestimmung als gerechter Schuldausgleich lösen. Um gerade Letzteres zu gewährleisten ist es notwendig, die Entstehungsbedingungen der Tat und vor allem die unmittelbaren Tatfolgen sowie deren Auswirkungen auf die weitere Lebensführung des Opfers zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen. Um nicht auf diesem Wege doch zu einer Vernehmung der Opferzeugen gezwungen zu sein, ist die Opferberichterstattung in der Hauptverhandlung das geeignete Mittel, um der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO in bestmöglicher Weise zu genügen. Durch die Wiedergabe der Feststellungen, die der Gerichtshelfer mit der besonderen Sachkunde getroffen hat, wird eine zuverlässige Entscheidungsgrundlage geschaffen. Im Übrigen bietet der Opferbericht für Staatsanwaltschaft und Nebenklagevertretung die Grundlage, um, sofern eine Unterschreitung der schuldangemessenen Sanktion zu gewärtigen ist, dem durch Stellung sachgerechter Beweisanträge entgegenzuwirken.

V. Ausblick

Die Operberichterstattung durch die Gerichtshilfe stellt ein wichtiges strafprozessuales Element dar, um der Subjektrolle des Opfers im Strafverfahren angemessen Geltung zu verschaffen. Neben ihrer wichtigen Funktion für die Entscheidungsfindung verschafft sie dem Geschädigten die Erkenntnis, nicht nur Objekt der Informationsgewinnung zu sein, sondern grundlegend in die Verfahrensgestaltung einbezogen und mit seinen berechtigten Interessen gehört und verstanden zu werden. Sie kann damit schon nach geltendem Recht zumindest annäherungsweise die Möglichkeit einer (mittelbaren) Tatfolgenerklärung eröffnen. Diese Aufgabenstellung erfordert es, Staatsanwaltschaften und Gerichten eine der damit verbundenen Arbeitsbelastung gewachsene und funktionsfähige Gerichtshilfe an die Seite zu stellen. Daher erscheint es nach wie vor sinnvoll, diese dem Geschäftsbereich der Landesjustizverwaltungen zuzuweisen. Hierdurch würde zugleich deren Stellung als soziale Ermittlungshilfe mit der Verpflichtung auf eine neutrale und objektive Aufgabenerfüllung hervorgehoben werden. Außerdem besteht so die Möglichkeit einer räumlichen Anbindung an die Justizbehörden, insbesondere eine gemeinsame Unterbringung mit der Staatsanwaltschaft. Dies trägt durch kurze Wege zu zuverlässiger Informationsübermittlung und Vermeidung von Reibungsverlusten bei, und damit zur Beschleunigung des Verfahrens im Sinne einer effizienten und gleichwohl umfassend informierten Verfahrensgestaltung und Entscheidungsfindung.

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