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ADG Arbeitsgemeinschaft Deutsche Gerichtshilfe e.V.

 

Wie müssen wir der beruflichen und sozialen Ausgrenzung immer größerer Bevölkerungsgruppen begegnen?

Hinweise, Fragestellungen und Lösungsansätze jenseits bisheriger Handlungsformen, die in Sackgassen führen

Die ADG, eine seit Jahrzehnten bundesweit agierende Organisation im Bereich der Strafrechtspflege, hat eine Reihe von richtungsweisenden Projekten für die Fortentwicklung der sozialen Strafrechtspflege in die Praxis eingeführt und erprobt. Themen, vor allem der TOA, die Opferberichterstattung und die vernetzte Zusammenarbeit im Bereich der häuslichen Gewalt sind so zu regelmäßigen Angeboten im Strafrechtsbereich ausgebaut worden.

In der über Jahrzehnte gemessenen Bilanzierung bleibt dennoch für die Gesellschaft ein unbefriedigendes Ergebnis.

Neben hausgemachten Fehlentscheidungen im Justizbereich, Unterlassungen im Bereich des Ermittlungsverfahrens, der mangelnden Wahrnehmung von alternativen Maßnahmen zu den herkömmlichen Sanktionen (Geld- und Freiheitsstrafen), einer Verschiebung von Handlungsansätzen in das Vollstreckungsverfahren zur Aufarbeitung von Defiziten bei Fehlentwicklungen durch Betreuungsangeboten nach Haftentlassungen, bleiben Lücken und Probleme, die vor den strafrechtlichen Auffälligkeiten im sozialen Bereich feststellbar beginnen und dort frühzeitig und gezielt zur Verbesserung auch für die Strafrechtspflege angesetzt werden müssen.

Zu den Unterlassungen und Fehlentscheidungen gehört vorrangig die nicht erfolgte bzw. nur geringe Beiziehung der Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren, so wie der Gesetzgeber dieses nach § 160, Abs.3 StPO anregt. Die überwiegende Anzahl der Landesjustizverwaltungen hat trotz der Weisungsbefugnis keine Korrekturen vorgenommen. Nur die Justizministerien in Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ( bis zur Privatisierung ) sind hiervon ausgenommen. Die dortigen Ergebnisse erbringen rechtzeitig Erkenntnisse über die Täterpersönlichkeiten und die aktuelle Opfersituation vor Abschluss des Ermittlungsverfahren und haben Einfluss auf die Endverfügungen ( Einstellung, Strafbefehl, Anklage ). sowie möglicherweise die Anwendung alternativer Sanktionen.

Über die beschriebenen Mängel in der Strafrechtspflege hinaus geht es um ein ausuferndes Problemfeld unserer Gesellschaft, dem ressortübergreifend zu begegnen ist. Nur so werden wir diese umfassenden Risikobereiche, u.a. in der Bildung, Ausbildung, dem Beschäftigungsbereich sowie in anderen wichtigen Feldern eingrenzen und längerfristig lösen können.

Sowohl die Kommunen, als auch die Gebietskörperschaften, die Bundesländer, die Bundesregierung, der Bundestag, die Länderparlamente, Medien, Stiftungen, Sozialverbände, Vereine und Parteien sind aufgerufen, sich dem zu stellen, was die niederländische Autorin Margalith Kleijwegt mit dem Titel ihres Buches „Schaut endlich hin“ als Appell an die Institutionen und Politiker in Amsterdam richtet. Dort wurden die Politiker und Medien aufmerksam, nahmen das geschilderte Problem in seiner umfassenden Schärfe nicht nur zur Kenntnis, sondern handelten danach, um die brisante Situation im sozialen Umfeld von Schulen und Wohnvierteln aufzulösen.

Dieses gesamtgesellschaftliche Problem wird in der Strafrechtspflege besonders in der Betrachtung der Entwicklung von Straftätern deutlich. Auf Korrekturen ist hier die Justiz zur Erarbeitung veränderter Ansätze zur Mitarbeit aufgefordert. Andere gesellschaftliche Bereiche müssen richtungsweisend die Führung übernehmen.

Um den Handlungsbedarf deutlich hervorzuheben hier einige Zahlen, die die Notwendigkeit sofortiger Lösungen erkennen lassen.

Jährlich verlassen zwischen 50.000-70.000 Schüler die allgemeinbildenden Schulen ohne einen Schulabschluss. Jahr für Jahr steigt die Zahl der Schulentlassenen, die mehrheitlich keine qualifizierte Ausbildung beginnen.

Unausgebildete, unqualifizierte Menschen sind auf dem Arbeitsmarkt kaum in Arbeitsstellen zu vermitteln. Gleichzeitig weisen Betriebe, Handwerks- und Handelskammern auf einen hohen Bedarf von u. a. Facharbeitern hin, die nicht vorhanden sind.

Europaweite Ausschreibungen im Baugewerbe werden oft an ausländische Firmen vergeben oder von Subunternehmen ausgeführt, die ihre Arbeitskräfte mitbringen. Hierdurch gibt es für einheimische Arbeitskräfte ohne Qualifikationen auch in diesem Tätigkeitsfeld kaum noch Einstellungsmöglichkeiten.

Was bleibt?

Plakativ gesagt – von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit. Hartz IV–Empfänger ohne Zukunftsaussichten auf ein eigenständig erwirtschaftetes Einkommen. Als Folge bleibt die Abhängigkeit von öffentlichen Mitteln, um zu überleben. Kinder erleben und durchleben diese Situationen. Sie prägen nachhaltig deren Entwicklung.

Die überwiegende Klientel der Bewährungshilfe wird hiervon besonders nachhaltig betroffen sein. Schon jetzt wird es zunehmend schwieriger, im Ausbildungs- und Arbeitsbereich für die Probanden der Bewährungshilfe Angebote zu erhalten. Wann tritt der Zeitpunkt ein, da diesem Klientel nur noch Gespräche ohne greifbare Chancen der Entschuldung, dem Arbeitsplatzerwerb und Wohnraum angeboten werden können?

Was bleibt an Motivation, sich um ein straffreies Leben zu bemühen, da hierzu die erreichbaren Perspektiven fehlen?

Bei den 20-28Jährigen gibt es jetzt schon 2,5 Millionen unqualifizierte, potenzielle Arbeitnehmer. Wie sieht die Zukunft aus? Gehen wir an das Ende der Lebensarbeitszeit und blicken auf die Rentenhöhe, wird deutlich, was wir bei der Bildung in der Kindheit und Jugend an Maßnahmen versäumen, wird bei der Altersrente nochmals als zusätzliche Belastung auf die Allgemeinheit umgelegt.

Dies wird uns alle in dieser Gesellschaft ereilen, gleichgültig, ob wir zu denen gehören, die ein gesichertes Volleinkommen haben, überdurchschnittlich verdienen oder zu der oben genannten Gruppe gehören. Stellen wir uns diesem Problem. Lassen wir keine endlosen Debatten und Verschiebungen in Fachausschüssen/Arbeitskreisen mehr zu. Werden Sie selbst umgehend aktiv!!

Die jetzt übliche Ausrichtung, den bestehenden Problemen zu begegnen, führt nicht zu Lösungen.

Betrachten wir die Bereiche:

-Bildung

-berufliche Ausbildung

-Arbeitsmarkt

-Rehabilitation

-Resozialisierung

-unterstützende, stabilisierende Maßnahmen,

so binden diese Felder erhebliche Mittel. Es folgen an vielen Stellen finanzielle Kürzungen, weil die Haushalte dieses „erforderlich“ machen. Die Einlösung beschriebener Ziele wird überwiegend nicht erreicht. Umfassende Erfolge zur Unabhängigkeit von Hilfen und der Erreichung von Selbständigkeit sind ausgeblieben.

Ein Ansatz, der deutliche Verbesserungen verspricht, ergibt sich aus einem niederländischen Konzept einer frühzeitigen verbindlichen Zusammenarbeit unterschiedlicher staatlicher, kommunaler und freier, gemeinnütziger Träger, die mit ihren Mitarbeitern gemeinsame Ziele angehen. Näheres ergibt sich aus der angefügten Beschreibung. Neben den Inhalten überzeugt das Konzept durch seine Praktikabilität und kostensparende Arbeitsweise.

Wir wünschen uns Reaktionen und Einladungen zur Präsentation eines Konzeptes unter realen Vorzeichen und zumindest die Einleitung von Modellvorhaben zur Erprobung.

Der Eingangsfrage „ wie müssen wir der beruflichen und sozialen Ausgrenzung immer größerer Bevölkerungsgruppe begegnen? ist u. E. nur in Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachleute, Dienste, Organisationen und mit Unterstützung weiterer, hier genannten Gruppen lösbar.

 

ADG – Präsidium

gez. Ute Seidler , Kathrin Ehbrecht, Heike Born, Rainer-Dieter Hering

 


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