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Stand und Perspektive der Gerichtshilfe in Deutschland

Von der Idee zur praktischen Einführung

Die Gerichtshilfe im allgemeinen Strafrecht  wur­de zu Anfang des letzten Jahrhunderts ins Leben gerufen.

War bei der Entstehung des Strafgesetzbuches der Schuld-Sühne-Gedanke, sowie die Maxime der Generalprävention vorherrschend, gewann man mit der Entwicklung der forensischen Forschung die Einsicht, dass die Persönlichkeit des Täters und sei­ne Beweggründe stärker zur Beurteilung seiner Handlungsweise heranzuziehen sind.

Der Gedanke der Gerichtshilfetätigkeit wurde in den Nachkriegsjahren wieder auf­ge­grif­fen. In den  50er Jahren begann mit einer Versuchsreihe der Aufbau der Bewährungshilfe. Die Justizministerkonferenz beschloss 1968 die Einführung der Ge­richtshilfe im damaligen Bundesgebiet. Tatsächlich brauchte es Jahre bis in den einzelnen Bundesländern Gerichtshilfedienste eingerichtet wurden.

Die Zielsetzung

Alle Länder in der Bundesrepublik beschreiben in den entsprechenden Gesetzen und Verordnungen die vorrangige Beziehung der Gerichtshilfe im Ermittlungs- und Vor­verfahren, um hierdurch einen optimalen Ansatz zur Erfassung der Täterper­sön­lich­­keit zu erreichen. Die Strafjuristen sollen in die Lage versetzt werden, gleichbe­deu­­tend zur Tatermittlung Beschreibungen zur Täterpersönlichkeit zu erhalten. Der Ge­setzgeber spricht im § 160 Abs. 3 StPO davon, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sich auch auf die Umstände erstrecken sollen, die für die Be­stimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind.

Aus der Entstehungsgeschichte und der Aufgabenzuweisung lässt sich der Grund­satz ableiten, dass die Gerichtshilfe generell als Ermittlungsorgan für die persönli­chen Verhältnisse und das soziale Umfeld eingesetzt wird. Die anschließende Darstellung soll verdeutlichen was im Ermittlungsverfahren für Vorklärungen und Entscheidungen stattfinden. In dieser Zeitspanne können durch die Staatsanwaltschaft sehr unterschiedliche Festlegungen bzw. Entscheidungen erfolgen.

Die Zielsetzung und die Schaffung dieses speziellen Dienstes geschah aus den Reihen der Juristen , die davon ausgingen, dass im Zusammen­hang mit einem noch laufenden, nicht abgeschlossenen Strafverfahren täterbezoge­ne Infor­mationen für die Anwendung des Strafrechtes unbedingt notwendig wären. Mit dem Vordringen täterbezogener Komponenten der strafrechtlichen Reaktion und der da­mit verbundenen Notwendigkeit, die maßgebenden tatsächlichen Grundlagen schon für die Abschlussentscheidung der Staatsanwaltschaft zu ermitteln, erwuchs das Bedürfnis, für die Erforschung des Rechtsfolgenzumessungs­sachver­haltes eine ge­eignete Institution einzurichten.

Eindeutig sollte der zu schaffende Fachdienst frühest möglich im Ermittlungs­verfah­ren und nicht erst nach Anklageerhebung eingesetzt werden. Die Zu­sam­menarbeit Staatsanwaltschaft und Gerichtshilfe ist hiernach erwünscht und nicht die Abgabe und Zuweisung wenn die staatsanwaltschaftliche Arbeit im Einzelfall abgeschlossen ist.

Alle Bundesländer betonen deshalb den vorrangigen Einsatz der Gerichtshilfe im Ermitt­lungs- und Vorverfahren. Die Zielsetzung ist hiermit klar und unmissverständlich definiert.

Aus der bundesgesetzlichen Verankerung der GH folgt die Verpflichtung der Länder, Organe der GH einzurichten; jedoch bleibt die Ausgestal­tung der GH dem jeweiligen Landesrecht vorbehalten. Nach der Wiedereinführung der Gerichtshilfe wurde – außer bei den Stadtstaaten und im Saarland – dieser Dienst Teil der Staatsanwaltschaften. Damit wurde das Ziel verfolgt, den ge­wünschten vorrangi­gen Einsatz im Ermittlungsverfahren, aber auch Möglichkeiten der Beauftragung im Nachverfahren durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungs­behörde zu gewährleis­ten. Hinzu kommen  praktische Vorteile bei der Ein­schaltung, den Aktenzu­gang, die Kommunikation und ein hohes Maß der gemeinsa­men Nutzung von Möglichkeiten, die durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu einer Behörde gegeben werden.

Nach der Wiedervereinigung sowie durch politisch initiierte Umstrukturierungsmaßnahmen finden wir neben der Organisationsform – Gerichtshilfe als ein Teil der Staatsanwalt­schaft – überwiegend den  „Allgemeinen Sozialen Dienst der Justiz”, indem  unterschiedliche Tätigkeitsfelder zu einem Dienst verbunden wurden. Die auf dem ersten Blick deckungs­gleich erscheinende Organisationsform der Sozialdienste der Justiz in den Bundesländern ist dennoch  unterschiedlich  strukturiert, gegliedert und in den tatsächlich ausführenden Tätigkeiten eingesetzt.

Die Situation

Wir konnten und können von keinem einheitlichen Gerichtshilfebild in der Bundesrepublik Deutschland ausgehen. Zu unterschiedlich sind die Gegebenheiten nicht nur in den Ländern, sondern häufig von Landgerichtsbezirk zu Landgerichtsbezirk. Unbe­friedigend ist, dass die Länder ihrer Pflicht, Organe der GH einzurichten, aus rechtli­cher Sicht schon dann genügen, wenn sie in ihren Ländergesetzen bzw. Ausfüh­rungsverordnungen und -verfügungen dieses Tätigkeitsfeld beschreiben. Unberücksichtigt bleibt dabei, ob und in welchem Umfang die Praxis von der GH Gebrauch macht.

Der Ländervergleich zeigt die Strukturen der ambulanten Sozialen Dienste der Justiz und verdeutlicht die Unterschiede. Es wird in diesem Zusammenhang von einer Reform der Organisationsstruktur gesprochen. Personalentwicklungen und Qualifizierungsmaßnahmen würden sich hierdurch endlich ermöglichen.

In Baden-Württemberg war die Gerichtshilfe Teil der Staatsanwaltschaften, tatsächlich gab es in der räumlichen Zuordnung Unterschiede.

Nur in einigen Staatsanwaltschaften waren die Sozialarbeiter in unmittelbarer Nähe zu den Ermittlungsabteilungen platziert. In anderen Bezirken fanden sich die Diensträume im Bereich der Vollstreckungsabteilungen, oder sie waren in Bürogemeinschaft mit der Bewährungshilfe in externen Gebäuden. Nach der Privatisierung und Übergabe der Bewährungs- und Gerichtshilfeaufgaben auf einen externen Träger wurden alle Bewährungs- und Gerichtshelfer außerhalb der  Landgerichte bzw. Staatsanwaltschaften  als „Neustart-Einrichtungen“ zusammengestellt. Der räumliche Zuständigkeitsbereich wurde von den Landgerichtsbezirken abgekoppelt. Wo es vormals in jedem LG-Bezirk mindestens 2-3 Bewährungshilfebüros gab, ist anstelle dieser in der Fläche vorhanden gewesenen Standorte eine zentrale Einheit mit auswärtigen Sprechstellen getreten. Die Gerichtshilfe wurde aus den Staatsanwaltschaften entfernt und befindet sich  mit den Bewährungshelfern in den Neustarträumen und damit von den bisherigen Hauptauftraggebern in der Staatsanwaltschaft abgekoppelt.

Bayern hat erst Ende der 70-ger Jahren mit dem Aufbau der Gerichtshilfe begonnen. Erfahrungen aus BW wurden abgerufen und verwandt.

Im Freistaat sind die Bewährungs- und Gerichtshilfe  durchgehend unterschiedlich bei den Landgerichten bzw. den Staatsanwaltschaften zugeordnet und haben dort ihre Räume. Die großen Staatsanwaltschaften wie München und Nürnberg haben ihre Gerichtshilfe mit  Abteilungsleiter/Gruppenleiter verbunden. Die Fortentwicklung und Beauftragung sollte hierdurch gefördert werden.

Berlin;  zuerst nur in Berlin-West, hatte die damalige Soziale Gerichtshilfe unterschiedliche Aufgaben. Die den Bezirksämtern(Kommunalverwaltungen) zugeordneten Dienste waren Teil der Sozialämter und ausgerichtet auf die Haftentlassenen (Hilfe beim Übergang vom Vollzug in die Freiheit).In der Nähe der zentralen Untersuchungshaftanstalt Moabit war die zentrale Gerichtshilfe der Senatsverwaltung (Landesbehörde) untergebracht. Diese war für die Arbeit mit den Untersuchungsgefangenen und die Amtshilfe mit anderen Bundesländern zuständig. Eine nachfolgende Strukturänderung brachte eine Zuordnung der Bewährungs- und Gerichtshilfe in zwei Abteilungen zur Senatsverwaltung der Justiz (Ministeriumsebene). Die Jugendbewährungshilfe blieb beim Senator für Jugend und Familie.

Ein Versuch die ambulanten Sozialdienste einem oder mehren Bezirksämtern (Kommunalverwaltung) zuzuordnen setzte sich nicht durch. Der Soziale Dienst der Justiz ist weiterhin Teil des Ministeriums(Senator der Justiz) ohne Anbindung zum Landgericht und der Staatsanwaltschaft und deutlich räumlich entfernt von dem Sitz der Strafjustiz sodass spontane Besuche, ein persönliches Treffen kaum stattfinden.

Brandenburg ist in 4 Landgerichtsbezirken gegliedert. Der dort eingerichtete Soziale Dienst der Justiz weist mehre Facetten auf. So gibt es in jedem Bezirk mehrere Dienstsitze mit Mitarbeitern, von denen jeder in der Bewährungshilfe tätig ist und auch in den Fachbereichen GH und TOA alle anfallenden Aufgaben bearbeiten soll. Die Zuordnung zu den Landgerichten wurde durch die Anbindung zum OLG (Kopfstelle) ersetzt. Der persönliche Austausch mit den Staatsanwälten ist selten bzw. wird nicht ausgeübt. Die Beauftragung der Gerichtshilfe erfolgt lediglich nach Anklageerhebung im Hauptverfahren, teilweise im Nachverfahren, aber nie im Ermittlungsverfahren.

Bremen hat einen Sozialen Dienst der Justiz. Bei Einführung der Gerichtshilfe war die Sachbearbeitung von der Bewährungshilfe getrennt, alsbald kam es zur Zusammenführung der Tätigkeitsfelder, gleichfalls gab es besondere Zuständigkeiten, Spezialisierungen in dem gemeinsamen Dienst. Es besteht keine Anbindung zur  Staatsanwaltschaft.

Da die Auftragszahlen insgesamt aktuell zurück gehen, vor allem im Bereich Bewährungshilfe, bemüht sich der Soziale Dienst darum, einige Tätigkeitsfelder zurück zu holen, im Moment die Vermittlung in gemeinnützige Arbeit bei uneinbringlichen Geldstrafen. Andere Felder im Ermittlungsverfahren, z.B. TOA und Opferberichterstattung, werden nicht bedient.

Hamburg hat frühzeitig nach Gründung der Bundesrepublik die Gerichtshilfe mit der  Anbindung zur Justizbehörde (Ministerium) eigerichtet. Sie war nie mit der Staatsanwaltschaft vernetzt. Überwiegend kamen die Aufträge von der Vollstreckungsabteilung. Ein sehr hoher Auftragsanteil entfiel auf auslaufende Bewährungsfälle zur Überprüfung der aktuellen Situation. Die einzelnen Sozialdienste – Jugendbewährungshilfe, Bewährungshilfe, Gerichtshilfe – waren unterschiedlichen Ministerien zugeordnet. Erst unter dem Senator Kusch kam es zu einer Übernahme dieser Dienste in den Justizbereich. Nunmehr wurden große Teile des Sozialdienstes auf das Bezirksamt Eimsbüttel übertragen. Der Bereich der Konfliktregelung wurde  der Staatsanwaltschaft angegliedert.

Hessen hat 9 Staatsanwaltschaften. Neben den 3  Staatsanwaltschaften Frankfurt, Darmstadt und Kassel mit jeweils einer größeren Anzahl von Gerichtshelfern sind bei den sonstigen Staatsanwaltschaften mindestens zwei Fachleute tätig. Fulda mit einer vollen Planstelle ist die Ausnahme. Erst in den letzten Jahren kam es zur räumlichen Angliederung einiger zuvor extern untergebrachten Gerichtshilfen bei der Stammbehörde. Weiterhin gibt es auch ausgelagerte Gerichtshilfen.

Mecklenburg-Vorpommern, besteht aus 4 Landgerichtsbezirken. Beim Aufbau der Justiz gab es zuerst Gerichtshilfestellen direkt bei der Staatsanwaltschaft( z. B. Neubrandenburg ). Zeitlich später kam es zur Bildung des Sozialen Dienstes mit Anbindung an die Landgerichte.

Diese Organisationsform wurde durch die Errichtung des jetzigen Landesamtes abgelöst. Dort sind die Sozialen Dienste der Justiz eine Abteilung ohne Anbindung zu den Gerichten und der Staatsanwaltschaft. In der Fläche gibt es über das Bundesland mehrere Standorte und Sprechstellen. Letztere sind nur zu bestimmten Zeiten personell besetzt.

Niedersachsen, ist unterteilt in 3 OLG-Bezirke und 3 Generalstaatsanwaltschaften (Braunschweig, Celle, Oldenburg). Bis zur Einführung des Ambulanten Justizsozialdienstes (AJSD) gab es die Bewährungshilfe bei den Landgerichten und die Gerichtshilfe als Teil der Staatsanwaltschaften. Die räumliche Unterbringung war nicht einheitlich im Land geregelt. Teilweise war die GH bei der StA, in „Rufweite“ zu den Ermittlungsabteilungen, außerhalb der STA oder -selten- zusammen mit der Bewährungshilfe platziert. An einigen Standorten kam es zu mehreren Umzügen mit immer veränderten Bedingungen. Nach der Einführung des AJSD 2009 wurden die Dienststellen von ihren vormaligen Behörden abgekoppelt und in einer landesweiten Zuständigkeit mit einer zentralen Leitung dem OLG Oldenburg unterstellt. Die ehemaligen GerichtshelferInnen wurden in die vormaligen Bewährungshilfebüros integriert, was nicht immer ohne Probleme funktionierte, mancherorts mussten neue Räumlichkeiten angemietet werden.

Mit der Zielrichtung des MJ, mehr Sicherheit, umfangreichere Standardisierung und Dokumentation, spezielle Intensivprogramme für Sexualstraftäter im Bereich Bewährungshilfe und FA und gleichzeitig eine größere Berücksichtigung von Opferinteressen im Strafverfahren durch verstärkten Einsatz von Gerichtshilfeberichten zu erreichen, mussten verschiedene Schwerpunkte gesetzt werden, die nicht ohne weiteres durch das Personal, das je nach Auftrag tätig werden soll (größtmögliche Verwendungsbreite),  umgesetzt werden können.

Nordrhein-Westfalen ist ebenso in 3 OLG-Bezirke und drei Generalstaatsanwaltschaften gegliedert. Seit Einführung der Gerichtshilfe gehörte dieser Dienst zu den Staatsanwaltschaften. Obwohl Teil der jeweiligen Staatsanwaltschaft, gab es deutlich abweichende räumliche Lösungen. Es gab GH-Stellen die räumlich nahe an den Ermittlungsabteilungen, andere die im Bereich der Vollstreckungsabteilung, wieder andere die separat in angemieteten Räumen oder mit der Bewährungshilfe ihre Diensträume hatten. Nach der Strukturveränderung und der Bildung des „Ambulanten Sozialen Dienstes der Justiz“ ( ASD ) kam es für die Gerichtshilfe zur Abkoppelung von den Staatsanwaltschaften.

Der ASD ist an die Landgerichte gebunden. Es gibt weiterhin deutlich unterschiedliche Entwicklungen. An einigen Standorten gibt es weiterhin einem guten fachlichen Austausch zu den Ermittlungsabteilungen der Staatsanwaltschaft und in anderen Regionen ist ein Bruch in der Zusammenarbeit mit der Ermittlungsbehörde feststellbar.

Rheinland-Pfalz, gliedert sich in 2 OLG-Bezirke und 2 Generalstaatsanwaltschaften. Nach Beginn der Gerichtshilfe in der Bundesrepublik wurde die ambulante Sozialarbeit der Justiz vom Sozialen Dienst der Justiz, mit der Anbindung zu den Landgerichten, ausgeführt. Es gab fast keine Aufträge von der Staatsanwaltschaft, die eher seltenen Beauftragungen entfielen auf Klärungen im Vollstreckungsverfahren. Anfragen zum Aufbau einer Gerichtshilfe bei den Staatsanwaltschaften wurden immer mit der Begründung es gäbe kein Bedarf, man verzeichne keine Aufträge aus dem Bereich des Ermittlungs- und Vorverfahrens beantwortet. Erst als mehrere dem Bundesgerichtshof für Strafsachen vorgelegte Urteile aus RLP mit dem Hinweis auf fehlende Ausführungen zur Beurteilung der Täterpersönlichkeit aufgehoben wurden kam es ab 1989 zum schrittweisen Aufbau der Gerichtshilfe bei den Staatsanwaltschaften. Zur Situation teilte das JM im Juni 1991 mit: „Um die Gerichtshilfe insbesondere im Ermittlungsverfahren zu aktivieren haben wir sie zunächst in zwei Bezirken der Staatsanwaltschaft zugeordnet. Nach den Berichten der Praxis hat sich diese Organisationsform bewährt; insbesondere im Bereich des Ermittlungsverfahrens wird der Gerichtshelfer mit zunehmender Tendenz eingeschaltet.“

Die Gerichtshilfe ist bei der Staatsanwaltschaft untergebracht was sich auch in der Beauftragung widerspiegelt. Die aktuelle Landesregierung will eine Strukturreform der ambulanten Sozialdienste umsetzen. Das Justizministerium beruft sich auf eine Koalitionsvereinbarung und verweist auf die Strukturveränderungen in mehreren Bundesländern wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern ohne die dortige Negativentwicklung bei den GH-Aufträgen im Ermittlungs- und Vorverfahren zu berücksichtigen oder gar offen zu thematisieren. Die weitere Entwicklung ist geprägt vom strategischen Verhalten des Fachministeriums und dem Versuch wichtige Vertreter der Strafjustiz auf ihre Seite zu ziehen. Der weitaus größte Teil der Strafjuristen, ebenso wie die Praktiker der Bewährungs- und Gerichtshilfe sind nicht für eine Ausgliederung der Gerichtshilfe, weg von der Ermittlungsbehörde. Auch die fachlichen Ergebnisse und die belegbare Zusammenarbeit ergeben Fakten für einen Verbleib in den bisherigen Strukturen. Sie werden durch die negativen Ergebnisse in anderen Bundesländern abgesichert.

Saarland, 1 OLG, 1 Generalstaatsanwaltschaft, 1 LG-Bezirk mit 10 Amtsgerichten und einer Staatsanwaltschaft. Es gibt  einen Sozialdienst der Justiz mit mehreren Dienststellen im Land. Dieser Sozialdienst war jahrelang ausschließlich auf die ambulante Arbeit mit Probanden ausgerichtet ehe die Aufgaben auf die Konfliktregelung(TOA) ausgeweitet wurden. Täterpersönlichkeits- und Opferberichte sind nicht Bestandteil der Arbeit. Im November 2013 wurde eine Veranstaltung „Entwicklung der Straffälligenarbeit“, unter Beteiligung von Referenten  aus anderen Bundesländern und Organisationen(DBH) durchgeführt. Alle Vortragenden, einschließlich der Staatssekretärin haben die Gerichtshilfe als Sozialdienst, gleichfalls die diesem Dienst zugeordneten Tätigkeiten nicht erwähnt. Obwohl mindestens 2 Referenten Kenntnisse über die Gerichtshilfe haben, teilweise in diversen Veröffentlichungen auf die Unverzichtbarkeit dieses Fachdienstes hinweisen, ist dieser Bereich  anscheinend nicht mehr Bestandteil der sozialen Strafrechtspflege.

Sachsen hat 1 OLG, 6 Landgerichte und 1 Generalstaatsanwaltschaft. Beim Aufbau Ost waren die Partnerländer Bayern und Baden-Württemberg die auch Richter, Staatsanwälte und Gerichts-und Bewährungshelfer abordneten. Naheliegend wurden die  Strukturen bei den Sozialdiensten – Bewährungshilfe bei den Landgerichten, Gerichtshilfe bei den Staatsanwaltschaften – aus BW + Bayern übernommen. Aus dem Stand gelang es einen hohen Auftragsanteil für die Gerichtshilfe im Ermittlungsverfahren zu erreichen. Ein Jahr später bestand die Auslastung zu fünfzig Prozent aus Berichten zur Persönlichkeit der Beschuldigten. Diese  Entwicklung ist auf die enge Zusammenarbeit mit den abgeordneten Juristen, die Kenntnis von der Gerichtshilfearbeit hatten, zurück zu führen. Hinzu kamen, die räumliche Anbindung zur Staatsanwaltschaft und die Unterstützung durch Personen in Leitungsfunktionen im Ministerium, bei den Landgerichten und der Generalstaatsanwaltschaft. Es gab Gemeinsamkeiten in der Zielsetzung und bei der Umsetzung der Aufgaben ein regelmäßigen Austausch über die Entwicklung.. Die neu eingestellten Quereinsteiger, aus Sachsen stammend, mit einer anderen Ausbildung versehen, wurden von den fachlich guten Gerichtshelfern über 2 Jahre angeleitet. Diese neuen Mitarbeiter hospitierten außerdem über Wochen bei ausgesuchten Gerichtshilfestellen in BW. Als die meisten abgeordneten Fachleute in ihre Länder zurückkehrten veränderten sich die Grundlagen. Nunmehr gab es eine  Organisationsveränderung, an dem Willen der Landgerichtspräsidenten vorbei. Die Leiter der Staatsanwaltschaften wurden nicht in den Veränderungsprozess eingebunden. So entstand der Soziale Dienst der Justiz bei den Landgerichten. Die Aufträge im Vorverfahren durch die Staatsanwaltschaften gingen zurück und spielten nur noch eine untergeordnete Rolle.

Aus den Reihen des Justizministeriums wurde eine weitere Strukturveränderung nach dem Muster der vorherigen Vorgehensweise eingeleitet. Neuerlich waren nur wenige Personen informiert dass die ambulanten Sozialdienste der Bewährungs- und Gerichtshilfe aus der geltenden Anbindung an die Landgerichte herausgenommen werden sollten. Eine Zusammenlegung mit den Vollzugsanstalten war das Ziel. Die personelle Steuerung und Führung sollte von der Kopfstelle in der Vollzugsanstalt erfolgen. Die konspirative Vorgehensweise wurde frühzeitig durch informierte Personen offen gelegt. In Besprechungen haben diese Behördenleiter ihr Unverständnis gezeigt wie hier an den betroffenen Mitarbeitern vorbei unumstößliche Fakten festgeschrieben werden sollten. Nach der Offenlegung und der damit entstandenen Diskussion, nicht nur über die Vor- und Nachteile einer derartigen Planung sondern über den Umgang mit Mitarbeitern, wurde die  Veränderung nicht weiter verfolgt.

Sachsen-Anhalt ist in der Aufbauzeit der Justiz einen anderen, neuen Weg gegangen. Der einheitliche Sozialdienst der Justiz, neben der Bewährungs- und Gerichtshilfe mit weiteren Angeboten wie dem TOA, der Opferhilfe usw. wurde  direkt dem Justizministerium unterstellt und wurde von dort geführt. Es gibt keinen ständigen Arbeitsansatz und Austausch mit den Staatsanwaltschaften und Gerichten.

Die örtlichen Dienststellen bieten Dienstleistungen für die Justiz an, man muss diese aktiv von dort einfordern. Im Arbeitsalltag  bestehen somit die Justizstellen nebeneinander, eine Zusammenarbeit, ein Miteinander ist selten abrufbar, da die Strukturen auf einem Nacheinander eingerichtet sind.

Schleswig-Holstein, 1 OLG, 1 Generalstaatsanwaltschaft, 4 Landgerichte + 4 Staatsanwaltschaften, bei denen jeweils mehrere Gerichtshelfer tätig sind. Über einen langen Zeitraum gab es überwiegend Aufträge aus dem Vollstreckungsverfahren, später noch zusätzlich die Umsetzung der „Gemeinnützigen Arbeit“. Sie prägend das Bild über die Gerichtshilfearbeit. Deutlich kam es zu einer Veränderung als der Teilbereich  Gemeinnützigen Arbeit anteilig oder gänzlich auf die freien Träger umverteilt wurde.  Dadurch ergab sich die Möglichkeit andere, vorzugsweise Aufträge aus dem Ermittlungsverfahren, zu übernehmen. Die Dezernenten der Ermittlungsabteilungen nahmen  die fachlichen Möglichkeiten zur Berichterstattung über die Persönlichkeitsdarstellung oder Opfersituation an.

Ein unproblematischer, persönlicher fachlicher Austausch zwischen den Auftraggebern und den Gerichtshelfern war/ ist durch die räumliche Anbindung gelebte Praxis. Die Generalstaatsanwaltschaft hat durch ihre jeweilige Behördenspitze die fachliche GH-Arbeit gefördert.

Auch in Schleswig-Holstein gab es Bestrebungen einen einheitlichen Sozialdienst der Justiz zu bilden. Dieser Plan wurde aufgegeben und es folgte ein Probelauf im LG-Bezirk Flensburg. Die Gerichtshilfe wurde mit der Bewährungshilfe zu einer Dienststelle über einen Erprobungszeitraum zusammengefasst. Durch die Ergebnisse – die erwartete fachlich beschriebene Entwicklung trat nicht ein, insbesondere die Aufträge der Staatsanwaltschaft blieben vermehrt aus – wurde dieser Versuch beendet. Die Gerichtshilfe kam zur Staatsanwaltschaft zurück.

Thüringen, 1 OLG, 1 Generalstaatsanwaltschaft, 4 Landgerichte und 4 Staatsanwaltschaften, mit den Sozialen Diensten der Justiz, der in allen Gerichtsbezirken Dienststellen unterhält. Der Sozialdienst ist dem OLG Jena angegliedert. Bei Einführung der Bewährungs- und Gerichtshilfe waren, nicht zuletzt durch die Partnerländer Hessen und Rheinland-Pfalz, die ambulanten Dienste  den Landgerichten bzw. den Staatsanwaltschaften zugeordnet. Tatsächlich war die Gerichtshilfe formal aber nicht tatsächlich für die Ermittlungsbehörde präsent, zumal eine räumliche  Distanz  Realität waren. Aufträge kamen meist von den Vollstreckungsrechtspflegern die diesen Sozialdienst schon mit der Aufgabenbetrauung aus ihren Heimatdienststellen kannten.

Eine Entwicklung und Aufgabenverlagerung in das Ermittlungsverfahren zeichnete sich nicht ab, die Zusammenlegung der Bewährungs- und Gerichtshilfe folgte zumal eine vergleichbare Tendenz in den anderen neuen Bundesländern sichtbar wurde.

Hier gilt es einige grundsätzliche Beobachtungen zusätzlich einzubringen:

Sozialarbeiter sind die einzige Berufsgruppe, die ausschließlich extern ihre Ausbildung absolviert. Erst nach dem Studium stellt sich die Frage einer Einstellung und damit Tätigkeit im Justizbereich. Dem gegenüber werden die meisten Fachleute in der Justiz vom Anstellungsträger ausgebildet oder wie bei den Juristen während der Praktika, in der Referendarzeit, später als Assessoren auf die fachlichen Vorausset­zun­gen geschult. Es gibt ein gemeinsames Leitbild für die Tätigkeitsfelder und die  Hand­lungsabläufe. Dieses gilt unabhängig von der Region, der jeweiligen Einstellung des Mitarbeiters und der politischen Führung des Fachministeriums. Für die Gerichtshilfearbeit gibt es gleichfalls Standards die in den einzelnen Bundesländern meist von den Praktikern erarbeitet und mit ihrem Fachministerium abgestimmt wurden. Ebenso wurden Qualitätsmerkmale festgelegt. Qualitätssicherung durch Nachschau, weitergehende Ausbildungen waren außer in Baden-Württemberg bislang nicht festgeschrieben.

Statistiken, Darstellungen, Zuordnungen, Aussagen

Es gibt im Gegensatz zur Bewährungshilfe keine bundeseinheitliche Erfassung und somit keine Vergleichbarkeit über Arbeitsanteile und Auftragszahlen. Die statistische Erfassung der unterschiedlichen Produkte und Arbeitsschwerpunkte wurden in mehreren Bundesländern ab dem Zeitpunkt der Organisationsveränderung und der Errichtung des einheitlichen Sozialdienstes nicht mehr nach Verfahrensbereichen abgegrenzt festgehalten. Es ist nicht feststellbar wie häufig die Gerichtshilfe/ der Sozialdienst im Ermittlungsverfahren oder danach beigezogen wurde. In Hessen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz gibt es statistische Erfassungen die den Behördenleitern, Generalstaatsanwaltschaften, den Justizministerien die Hinweise präsentieren um Nach- oder Umzusteuern. Neben der Gesamtauftragszahl im Land können so auch die Unterschiede hervor treten. Weshalb wird die Gerichtshilfe bei einer Staatsanwaltschaft häufig oder fast immer bei bestimmten Delikten eingeschaltet und im angrenzenden Bezirk selten oder nie. Mit derartigen Hinweisen können Nachfragen und Veränderungen möglich werden. Wenn das Justizministerium die Erstellung von Opferberichten anregt derartige Empfehlungen bei einigen Dienststellen auf Resonanz trifft und an anderen Orten gibt es keine Nachfragen so ist über die Statistik die reale Lage erkennbar und sind Reaktionen einleitbar. In mehreren Bundesländern gab es diesbezüglich einige Änderungen in den Vorgaben, Erfassungen bis hin zu quartalsbezogenen Berichten über die Entwicklung. Die statistischen Erhebungen zwischen den Bundesländern weichen deutlich voneinander ab. Einige Landesstatistiken ziehen alle Aufträge die sie der Gerichtshilfe zuordnen zu einer Gesamtzahl zusammen. Welche Auftragsbereiche hierunter fallen ist nicht ersichtlich, ob es GH-Aufträge im Ermittlungsverfahren und/oder nach Anklage durch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte gibt, bleibt im Dunkeln. Wie auffällig die Unterteilungen für den Bereich der Bewährungshilfe. Hinzu kommen die Zahlen für die Umsetzung der Gemeinnützigen oder Freien Arbeit die in vielen Bundesländern zu Gänze oder doch teilweise an die Verbände/Vereine übergeben wurde. Auffällig können nur in Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein differenzierte Aussagen aus der Statistik übernommen werden.

Solange in den Bundesländern die Gerichtshilfe Teil der Staatsanwaltschaft war, wurde in den Statistiken durch die zugeordneten Zahlen zu den Verfahrensständen eine Situation abrufbar, hierauf konnten die beteiligten Fachleuten und Institutionen reagieren. Ein Zahlenwerk darzustellen unterbleibt, zumal zu den Statistiken weitere Ausführungen notwendig erscheinen. Hierzu wäre eine eigene und umfangreiche Darstellung notwendig.

Perspektive

Die Gerichtshilfe war schon einmal weiter und etablierter, zumindest in einigen Bundesländern. Die fachliche Entwicklung wurde seit 1975 weitestgehend durch engagierte Kolleginnen und Kollegen in der Gerichtshilfe vorangetrieben. An unserer Seite auch immer Juristen und Kriminologen. In mehreren Justizministerien nahm man unsere Ideen auf obwohl hierdurch gleichfalls Probleme für die Personalbewirtschaftung aufkamen. Die ADG suchte und fand immer Mitstreiter für Themen, die für die Fortentwicklung der sozialen Strafrechtspflege richtungsweisend waren. So wurden aus unserer Mitte die Entwicklung des TOA, die Opferberichterstattung, Lösungsansätze bei der „Häuslichen Gewalt“ eingeleitet, in Probeläufen getestet und dann in die Praxis eingebracht. Die berufsbegleitende Ausbildung zur methodischen Erhebung von Täterpersönlichkeiten brachte eine Entwicklung zur fachlich abgesicherten Persönlichkeitsberichterstattung. Es folgte die Einführung von Qualitätssicherung in BW, um neu erlerntes Wissen in ständiger Umsetzung abzusichern. Nunmehr suchen wir nach Wegen, die Prävention -auch zum Nutzen für die Strafjustiz vor ihrer fachlichenen Zuständigkeit- im Verbund mit anderen Fachleuten und Institutionen zu organisieren.

Wir haben weiterhin Inspirationen und Lust, die Arbeit mit weiteren Ideen zu bereichern. Nüchtern betrachtet gibt es viele Hürden und Löcher. Es scheint, man plant an manchen Orten die Zukunft ohne eine funktionierende Gerichtshilfe. Möglicherweise waren die Erneuerer der Justiz um 1920 nicht nur ihrer sondern auch unserer Zeit voraus. In allen Lebens- und Arbeitsbereichen beginnt man mit der Grundlagenarbeit, häufig Anamnese und Diagnose genannt, es werden keine Häuser ohne statische Berechnungen gebaut und in einigen Bereichen entsteht der Eindruck der Doppelsicherung im Bereich der Strafjustiz werden derartige Erkenntnisse nicht genügend angewandt, man kann es ja auch ohne Sicherheiten in Angriff nehmen.

Eine Perspektive für die Soziale Strafrechtspflege vermag ich langfristig nur bei einer Absicherung der Gerichtshilfe zu erkennen.

Rainer-Dieter Hering; ADG- Präsident

 

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